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Geschichten auf den Versen
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Geschichten auf den Versen
In einer futurischen Stadt Freythalis hat Luzifex Frieden gefunden. Doch als sein Kater Felexes seltsam agiert und auf ein Geheimnis im mystischen Hirschstrom hinweist, wird Luzifex neugierig. Gemeinsam mit Felexes wird er von Höllenhunden durch ein Portal nach Hirschstrom befördert. Dort begegnen sie Waschmar, einem alten Kumpan, dem Waschbären, der sie zu einem legendären Gebäude führt, das Luzifex erkunden möchte. Während Waschmar und Felexes nach der Ankunft am Gebäude verschwinden, wird Luzifex von Dämmerstein, einem bizarren Butler und Gedankenleser, empfangen. Bald trifft er auf Professor Zeitwandler, einen exzentrischen Erfinder, der Wissenschaft und Magie vereint. Mit seinen grotesken Erfindungen, wie der Chrono-Sanduhr und dem Elektrographen, eröffnet er Luzifex neue Perspektiven auf Zeit und Technik. Während er tiefer in diese bizarre Welt eintaucht, verschwimmen die Grenzen zwischen Alltag und Wahnsinn.
Nach der Heimkehr von Luzifex und Felexes soll schon bald wieder ein neues Abenteuer beginnen.
(Retro-Mix)
René March, 03.11.2024
Aktualisiert: 05.06.2025
Nach stürmischen Zeiten in meinem Leben sind nun einige Jahre der Ruhe und des Friedens in meiner Stadt Freythalis vergangen, wo ich mein Zuhause gefunden habe. Doch mein Kater Felexes hatte sich verändert. Morgens hielt er spirituelle Rituale ab, die mich an Religionen erinnerten. Mal betete er, mal meditierte er; andererseits führte er Rituale durch, die aus Legenden über Teufel und Hexen bekannt waren. Immer wieder tauchten bunte Lichter auf, Feuer und Rauch stiegen empor, und ein Kessel sprudelte mit heißem Wasser. Es braute sich etwas zusammen.
Felexes spricht in Rätseln, weise oder klug,
seine Worte geheimnisvoll, tief in dem Krug.
Was er sagen will, bleibt oft ein Trug,
in seinen Worten liegt sein Zug.
Was verbirgt sich hinter seinem Geist?
Ist er verloren oder entgleist?
Ein Flüstern hier, ein Scherz dort,
sein Geheimnis trägt er fort.
Er spinnt die Fäden bei Tag und Nacht,
in seiner Sprache, die Magie entfacht.
Ein Rätsel, das zum Denken zwingt,
in der Stille, die sein Geheimnis bringt.
Finde den Schlüssel, öffne das Tor,
der wahre Grund, er ist ein Mentor.
So höre genau, was Felexes spricht,
denn in seinen Worten liegt ein Licht.
Irgendetwas konnte nicht stimmen, dachte ich mir. Ich fragte Felexes: „Was wollt Ihr mir sagen? Wollt Ihr mich bekehren? Ihr wisst genau, dass, wenn ich zur Kirche wollte, es blitzt und donnert. Nein, mein Freund, ich bleibe meinen Bräuchen treu.“ Aber Felexes veränderte sich nicht.
Mein Verdacht über Felexes Verhalten bestätigte sich eines Morgens, als er auf das Bild von Gevatter Bär zeigte. Ich schaute ebenfalls darauf. „Ihr seht mich an, Luzifex. Bitte stellt keine Fragen – ich habe Hunger“, brummte er verärgert. „Schaut den Kater an! Ich weiß von nichts; mein Name ist Hase“, brummte er erneut. Ich überlegte, ob ich lachen oder etwas sagen sollte, aber Gevatter Bär drehte sich um und ging davon, was für mich kein ungewöhnliches Schauspiel war. Doch allmählich verstand ich, was Felexes mir sagen wollte. Ein neues Abenteuer in meiner Heimat Hirschstrom stand bevor. Felexes wusste, dass mich eine Frage beschäftigte: Was geschah eigentlich in der Gegend von Hirschstrom, durch die ich jahrelang täglich gegangen war, ohne wirklich zu wissen, was dort vorging? Manche Menschen im Dorf erzählten, dass Zwerge dort Rüstungen schmiedeten und Ersatzteile für Kutschen herstellten. Doch niemand wusste Genaueres, denn das Gelände war von dichten Hecken umgeben, die jeden Blick verwehrten, und so blieb alles im Reich der Märchen. Doch eine Veränderung stand bevor.
Hämmer schlagen, Rosse schmieden,
hinter Hecken alles verborgen.
Ein Wunder, das niemand sieht,
das in der Stille leise zieht.
Der eine sagt, der andere meint,
der eine spricht, der andere denkt.
Der eine wagt, der andere hört,
doch was geschieht, bleibt ungelöst.
Vertrautes wird fremd, Fremdes vertraut.
Die Zeiten vergehen, das Geheimnis bleibt,
wenn nur der Wind es fortweht,
was in den Schatten leise steht.
Normalerweise würde ich mit der Kutsche reisen, das Auto, den Zug oder den Bus nehmen, aber ich wäre nicht Luzifex, wenn meine Welt nicht aus Sagen und Mythen bestünde. Und so wie gedacht, geschah es auch. Ein schwarzer Hund kam aus dem Feuer und begrüßte Felexes und mich. Er wirkte friedlich. Er fragte: „Seid Ihr Luzifex und Felexes?“ Ich antwortete: „Ja, das sind wir. Ich hatte mir schon gedacht, dass Ihr uns abholt“, sagte ich. „Nun, wird es diesmal eine friedliche und angenehme Reise?“ fügte ich hinzu und streichelte Felexes.
„Oh, ich bin nur der Bote. Ich sollte sicherstellen, dass Ihr es seid. Ihr werdet abgeholt. Ich werde Euch ganz sicherlich nicht bringen. So wie bei den Menschen und anderen Mächten haben auch wir eine Rangordnung“, sprach der schwarze Hund. Als er wieder verschwand, kehrte für kurze Zeit Stille ein. Doch es dauerte nicht lang, bis ein Heulen erklang, das andeutete, dass das Taxi da war. Es klang etwa wie die Hupe eines Autos, wenn der Fahrdienst aussteigt, klingelt und sagt, dass er vor der Tür steht.
Die Tür musste ich nicht öffnen. Mit einem Knall sprang sie auf – welch höflicher Service, dachte ich. Die Wesen, die uns begrüßten, waren Höllenhunde. Sie hatten feuerrote Augen und waren Mischwesen aus Luchs, Katze und Wolf. Es herrschte ein wildes Durcheinander. Etwa zehn Tiere, vielleicht sogar fünfzehn oder zwanzig. Manche von ihnen waren nahezu unsichtbar. Ich musste aufpassen, dass ich zwischen ihren Körpern niemanden übersah. Sie wirkten lebhaft, liefen durcheinander umher und spielten miteinander. Einige waren handzahm, kamen auf mich zu und ließen sich streicheln, während andere, naja, wie soll ich sagen, eher zurückhaltend wirkten. Ihr Blick sagte mir, ich könnte versuchen, sie zu streicheln oder es sein lassen.
Es ging alles ziemlich zügig. Ich kam gar nicht dazu, lange zu überlegen, ob ich die Höllenhunde streicheln könnte, denn ihre Schnauzen schubsten Felexes und mich in den Wagen. Die Fenster öffneten sich im brausenden Wind. Es war Nacht; der Vollmond stand am Himmel und leuchtete feuerrot. Auf den Bäumen saßen Krähen und krächzten, als würden sie sich unterhalten. Und schon ging die Reise los. „Die Koffer fehlen!“, rief ich. Zwei Höllenhunde warfen sie mir entgegen, wobei sie sich öffneten und die Sachen herausflogen. Ein Kichern hallte. Mit Hecheln und Heulen zogen die Höllenhunde voran. Es erinnerte an eine Schlittenfahrt mit Huskys. Doch wir fuhren nicht durch die Nacht, sondern ein schwarzes Loch, umringt von Feuer, öffnete sich vor uns, und wir fuhren hindurch. Ich kann nicht behaupten, dass es kalt, windig oder nass war. Nein, die Höllenhunde sorgten für ausreichend Wärme.
Die feurige und dampfende Höllenfahrt glich fast einer Zeitreise. Ich erlebte, wie sich Hirschstrom während der Teleportation veränderte. Als wir in Hirschstrom ankamen, war es früh am Morgen. Die Höllenhunde flogen mit Gelächter davon. Ihr Kichern und Gelächter erinnerte an Kobolde und Hexen.
Hirschstrom ist heute eine bunte Stadt mit Fachwerkhäusern und Hochhäusern. Vor den Garagen, in denen die Limousinen parken, stehen Hexen oder Teufel. Die Stadt ist noch immer ein Ort, an dem sich Mystik, Wahrheit und Wirklichkeit vermischen. Der Aberglaube ist nur noch bei wenigen Leuten vorhanden, denn Hexen, Teufel und Dämonen gehören hier zum Alltag.
Bevor ich in Hirschstrom zu dem Gebiet ging, über das ich mehr erfahren wollte, rief jemand meinen Namen. „Wer ruft da?“ fragte ich. „Immer der Nase und dem Geruch entlang“, antwortete eine Stimme. Etwas Flauschiges berührte meinen Rücken. Es war Waschmar, ein Waschbär, den ich kannte. Einst lebte er in einem Zoo, fand aber einen Weg nach draußen. Seitdem lebt er als Streuner auf den Straßen und in den Wäldern. Er sieht nicht wie ein typischer Waschbär aus, sondern eher wie ein großer Krieger auf zwei Beinen. Über die Begegnung wunderte ich mich nicht, denn weit über meine Grenzen hinaus hatte ich von seiner Flucht gehört.
Waschmar wühlte gerade in einer Tonne und sagte: „Hey, es ist Mittag! Wollt Ihr auch was? Das ist köschtlisch.“ Ich sagte freundlich nein. Nur Felexes gesellte sich zu ihm und beide genossen die wenigen Happen, die sie erhascht hatten. Während Waschmar noch aß und die Hälfte von dem, was er im Mund hatte, wieder herauskam, erzählte er mir von der Gegend und dem Gebäude, das mich interessierte. Ich konnte ihn gerade noch so verstehen, aber was er sagte, ließ mich aufhorchen. Er erzählte von einem Professor, der seltsame Dinge herstellt, von denen er selbst nicht genau weiß, was sie können. Das weckte meine Neugier und so sind wir zum Gelände gegangen.
Gespannt betrat ich das Gelände. Es war ein großes, weißes Gebäude mit schwarzem Ruß an den Wänden, geschmückt mit Roboterköpfen. Schreibmaschinengeräusche ertönten und projizierten die Öffnungszeiten des Hauses wie auf einer Beamerwand. Als ich das Gebäude betrat, fiel mein Blick auf eine Tür, auf der ein Schild mit der Aufschrift „Bitte eintreten“ prangte. Sie war mit einer Teufelsfratze verziert und beschildert, als hätte ich die Wahl, ob ich den Eingang nutzen oder die Tür eintreten könnte.
Kaum war ich drinnen, wurde ich begrüßt. „Seid Ihr durch die Tür getreten, oder habt Ihr den Eingang der Verdammnis genommen?“ fragte mich ein jüngerer Mann mit einem fragenden Gesichtsausdruck, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er seine Worte amüsant finden oder sich seriös verhalten solle. Sein Auftreten war etwas unzeitgemäß, er trug Kleidung, die an eine Epoche zwischen Mittelalter und Barock erinnerte.
„Dämmerstein ist mein Name. Ich bin der Butler dieses Anwesens und werde Euch zum Professor geleiten."
In Hirschstrom ist nichts gewöhnlich. Ein junger Butler in einer Werkstatt – das fand ich jedoch ungewöhnlich. Was für ein komischer Kauz, dachte ich mir. Leise und verträumt, ohne mich dabei anzuschauen, erwiderte Dämmerstein sogleich: „Ach, das ist ein Adlerkauz. Er ist uns zugeflogen, und wir haben ihn aufgenommen.“ Der Kauz fauchte, und Dämmerstein fragte: „Habt Ihr Euch erkältet? Ich hatte Euch gesagt, zieht Euch warm an.“ Zeitgleich fügte er in mahnendem Ton hinzu: „Ja, ich meine Euch.“
Ich war irritiert – eine peinliche Situation. Wie konnte er nur meine Gedanken lesen? Der Butler schaute mich wieder an, hob eine Augenbraue und sagte: „Werter Gast, Ihr seid in Hirschstrom – hier ist alles etwas anders.“ Er drehte sich wieder um, hielt den Kauz wie einen Kerzenhalter und leuchtete damit den dunklen Flur.
„Hier entlang bitte, bleibt nicht stehen. Man weiß nie, wen man hier alles begegnet“, fügte er hinzu. Die Wände schienen sich zu verformen. Dämmerstein nahm meine Gedanken wahr und antwortete: „Das Gebäude ist alt, unsere Vorfahren besuchen uns“, und lächelte dabei leise und finster.
Ist das Gebäude neu oder mehrfach umgebaut worden, fragte ich mich und sah mich weiter um. Die Räume wirkten nostalgisch und waren mit allerlei Gerätschaften ausgestattet, deren Zweck sich für Außenstehenden nicht erschloss: klingende Metallkugeln und Zahnräder, die sich entgegen der Physik drehten, die von der Decke hingen und leuchteten.
,,Hier entlang bitte, bleibt nicht stehen. Man weiß nie, wem man hier begegnet“, fügte er mit einem abenteuerlichen Unterton hinzu. Die Wände schienen sich zu verformen. Dämmerstein nahm meine Gedanken wahr und antwortete: „Das Gebäude ist alt, unsere Vorfahren besuchen uns." Ein finsteres Kichern hallte durch die dunklen Gänge. Es erinnerte an Kobolde.
Zwischendurch blieb ich stehen und ahmte Schritte nach, um Dämmerstein anzudeuten, dass ich ihm folge. Doch er bekam alles mit. „Folgt mir; der edle Herr erwartet Euch bereits.“ Dämmersteins Stimme klang geschwollen. Er öffnete eine schwere Holztür, die sich langsam unter einem lauten Knarzen öffnete. Aber Dämmerstein ging nicht vor, sondern blieb vor der Tür stehen und schubste mich unerwartet hinein. Er verschwand wieder hinter der verschlossenen Tür. Was für eine Höflichkeit, dachte ich mir.
Der Raum war dunkel, und in der Luft schien etwas zu flattern, was wie Fledermäuse klang. „Und sorgt Euch nicht um meine Redensart; ich erfülle lediglich mein Klischee“, erwiderte er.
Etwas Feuchtes und Flauschiges berührte mein Gesicht. Im Hintergrund hörte ich ein Kichern. Langsam wurde der Raum von Kerzen erhellt. Nun stand ich in einem Raum, in dem niemand war – nur einige Katzen liefen umher. Ich sah mich um. An einer Nebentür hing ein Schild mit der Aufschrift „Katzen bleiben draußen“. Das Schild wackelte leicht, als hätte ich gerade die Tür geöffnet, doch ich hatte sie nicht berührt, und es war windstill. Allmählich wurde der Raum lebendiger, als würde jemand, wie an einer Musikanlage, die Lautstärke einstellen. Ein Ticken von Uhren erfüllte den Raum. Maschinen klapperten und ruckelten, und in der Ferne erklangen Roboterstimmen: „Wir sind Soldaten, Diener und Butler, gehorchen Euch, allzeit bereit.“
Der Raum sah aus wie eine Werkstatt voller Gerätschaften; dennoch erinnerte er an eine Klosterruine, ausgestattet mit mystischen Symbolen und Ritterrüstungen.
„Hallo“, rief ich. „Ja, hier bin ich“, antwortete gleichzeitig eine Stimme, die wie ein unerwartetes Echo klang. Ein Mann kam aus dem Dunklen und stellte sich als Professor Zeitwandler vor. Einen Professor hatte ich mir anders vorgestellt. Er trug einen mittelalterlichen Kittel und war bedeutend jünger als ich, vielleicht... „ja, jah, 20 Jahre,“ ergänzte der Professor verträumt, noch bevor ich meinen Gedanken zu Ende gedacht hatte. Wie eine Krähe auf Futtersuche musterte er mich. Ohne es zu bemerken, erwiderte ich in Gedanken: Ja, genau 20 Jahre. Er sah nicht aus wie... „Ihr meint, es passt nicht zu einem typischen Stigma oder Klischee eines Professors – zerzaustes Haar, Hornbrille und weißer Kittel...,“ ergänzte er erneut, ohne dass ich es wirklich wahrnahm.
Professor Zeitwandler arbeitete unkoordiniert mal an einem Computer und mal an einer Uhr. Ich fragte ihn, was die Dinge in seiner Werkstatt zu bedeuten hätten. Während er herumwuselte, antwortete er: „Das sind alles Werkzeuge, Schutz für meine Arbeit und Hilfsmittel für meine Experimente. Ich habe kleine Diener, die mir bei der Arbeit helfen.“ Seine Stimme schwankte zwischen leise und laut, während er mal hier arbeitete, mal dort schraubte und mal an anderer Stelle hämmerte.
Mit einmal kam Professor Zeitwandler auf mich zu und fragte, ob ich Zeit hätte. Doch noch bevor ich antworten konnte, packte er mich an den Schultern und führte mich durch die Werkstatt.
„Na klar habt Ihr das, sonst wärt Ihr ja nicht hier,“ murmelte er vor sich hin, als hätte er mich schon erwartet. Die Absurdität glich einer Polonaise. Er ist mit mir mal hierhin und mal dorthin marschiert. Mir war etwas mulmig zumute, und so schaute ich auf meine Smartwatch, scrollte herum und sagte: ,,Ja, dann, ich meine... ähm, ich wollte, also ich denke, ich müsste jetzt auch mal wieder...", während der Professor neugierig, wie eine Elster meinen Bewegungen folgte.
„Faszinierend … Heutzutage ist es notwendig, den Überblick zu behalten. Es reicht nicht mehr, sich an den Kirchenglocken oder am Wechsel von Sonne und Mond zu richten,“ sagte er und klopfte mir zweimal auf die Schulter.
Im nächsten Augenblick ging der Professor zu seiner Werkbank, wo er gerade an einer Uhr arbeitete. Ein langsam wedelnder Schweif hing aus seiner Kittelschürze heraus, und ich fragte mich, ob es wohl eine Katze sei, die sich in ihren langen, tiefen Taschen versteckt hatte. Er zeigte mir die Uhr und sagte, dass es eine Sanduhr sei. Er erklärte, dass diese Uhr eine Mischung aus einer traditionellen Sanduhr und einer modernen Armbanduhr war. Sie hatte ein kleines, rautenförmiges Gehäuse mit Sand, das wie eine normale Uhr am Handgelenk getragen wurde. Daraufhin wollte ich wissen, warum das Gehäuse mit Kupfer und Bronze verziert war. Er erklärte mir, dass diese Verzierungen dem nostalgischen Charme alter Uhren nachempfunden waren. Die Mechanismen darin drehten sich und tickten, hatten aber keine eigentliche Funktion – sie waren rein dekorativ.
Anschließend fragte ich, wie der Sand stabil bleibe, wenn man sich bewege. Der Professor antwortete, dass der Sand speziell behandelt sei und aus magnetischem Nanostaub bestand. Dieser Sand bewegte sich nur, wenn die Uhr in einem bestimmten Winkel von genau 37,5 Grad gehalten wurde. In jeder anderen Position blieb er einfach stehen, was die Zeitwahrnehmung sehr dynamisch machte. Ich fragte, ob ich theoretisch damit die Zeit anhalten könne. Der Professor bestätigte dies und zeigte mir, wie ein kleiner Hebel an der Uhr bei jeder Bewegung einen kleinen vibrierenden Tisch unter dem Sand aktivierte, um den Sandfluss zu beschleunigen. Als er aber seinen Arm hob und die Uhr umdrehte, stoppte der Sandfluss. Das ist perfekt für spontane Pausen, antwortete der er, denn so fühlt sich der Zeitplan weniger streng an, meinte er.
Interessiert merkte ich an, dass es vielleicht umständlich sei, wenn die Uhr ständig aufgezogen werden müsse. Professor Zeitwandler erklärte, dass die Uhr alle paar Minuten von Hand aufgezogen werden müsse. Dazu nahm er die Uhr ab, die er leicht schüttelte und in die entgegengesetzte Richtung drehte, um den Sandfluss wieder in Gang zu setzen. Diese Handlung sollte daran erinnern, wie kostbar die Zeit sei, bemerkte er mit seinem spitzen Finger, der an den Nagel eines Drachen erinnerte. Zum Schluss fragte ich, was passiere, wenn man mit der Uhr in eine andere Zeitzone reise.
Der Professor kicherte leise, war jedoch in seiner Funktion mit der Uhr vertieft und erklärte, dass die Uhr dafür einen Dual-Sand-Modus hatte. In diesem Modus liefen zwei kleine Kammern mit verschiedenfarbigem Sand parallel – eine für die Heimatzeit und eine für die Ortszeit. Sobald man eine neue Zeitzone betrat, kippte die Uhr automatisch um und der Sand der neuen Zone begann zu fließen. Dies war besonders praktisch für Vielreisende, die so ihr Zeitmanagement individuell anpassen konnten. Ich meinte, dass diese Uhr ein neues Verständnis von Zeit vermittelte. Er lächelte, nickte und erklärte, dass genau das die Idee der Sanduhr sei: bewusster mit der Zeit umzugehen und sie auch mal anhalten zu können.
Später erzählte mir Professor Zeitwandler, dass er nach jahrelanger Arbeit stolz seine erste Chrono-Sanduhr im Dorf präsentierte. Er nannte sie Temporis und erklärte jedem, der es hören wollte oder auch nicht, dass diese Uhr den Träger von der Tyrannei der mechanischen Zeit befreie. Die Sanduhr werde ihn in den natürlichen Rhythmus der Universumszeit zurückführen, murmelte er geheimnisvoll. Er war überzeugt, dass die Sanduhr über das Handgelenk mit den Nervenbahnen des Trägers verschmolz und so die wahre innere Zeit anzeigte.
Leider stellten die wenigen mutigen Versuchspersonen, die das Gerät trugen, schnell die Tücken der Uhr fest: Der Sand blieb oft stehen, wenn sie sich zu stark bewegten, oder der Professor stellte fest, dass das Magnet-Sand-Gemisch allzu oft verklumpte und stecken blieb. Doch der Professor war, wie er sagte, fest entschlossen, seine Erfindung zu verbessern. In seiner nächsten Version fügte er noch mehr Sandkammern hinzu, die in verschiedenen Farben leuchteten, um unterschiedliche Zeitzustände anzuzeigen – zum Beispiel Mittagsorange für die kreative Phase oder Dämmerungsblau für die entspannte Abendphase. Am Ende war seine Uhr so schwer, dass die Testpersonen Muskelkater am Handgelenk bekamen und vor lauter Leuchten, Sandkippen und gelegentlichem Piepen niemand mehr wusste, wie spät es eigentlich war. Er beschloss, dass die Welt einfach noch nicht bereit für seine Erfindung war. Seufzend schnallte er sich die Uhr ans Handgelenk und murmelte, man müsse den Lauf der Zeit verstehen.
„Vielen Dank für Eure Geduld. Das war ein großartiges Experiment! Ich muss jetzt gehen“, sagte ich. „Bevor Ihr mir noch zeigt, wie ein Toaster Brot backt – ich muss wirklich los“, fügte ich hinzu und schaute dabei auf mein Tablet. „Da setze ich mich gleich ran“, erwiderte er und betrachtete mein Gerät erneut mit Argusaugen. „Wollt Ihr etwas servieren? Ist das Brett schmutzig?“, fragte er. „Ich habe Roboter, die das für Euch übernehmen.“ Ich sagte: „Nein, es ist ein Tablet und ich suche einen Fahrplan.“ Merkwürdig dachte ich und murmelte dabei: „wie sich die Zeiten geändert haben.“
Plötzlich stand der Professor vor mir und nahm meine Hand. Sie war so weich wie eine Feder und er schaute mir tief in die Augen. Sein Kopf bewegte sich dabei wie der eines Vogels, der nach allen Seiten schaut. Er strich ein paar Fusseln von meinem Pullover und sagte nachdenklich, leise, aber bestimmend: „Ja, ich weiß, Luzifex…, ich sehe es, aber das braucht Ihr nicht, Ihr werdet abgeholt… und nach Hause gebracht.“ Die Verwirrung nahm weiter zu, und allmählich fragte ich mich auch, wo Felexes blieb.
Professor Zeitwandler hat mir in der kurzen, gefühlt viel zu knappen Zeit so viel gezeigt, dass ich gar nicht bemerkte, dass schon zwei Jahre vergangen waren. Ich sagte: „Ich wollte eigentlich nur wissen, was hier in diesem Gebäude ist.“ Er antwortete in einem bestimmenden und nachdenklichen Ton: „Ja…, das weiß ich, aber… hier… bin nur ich“, betonte er und seufzte. „Sonst steht das Haus leer.“ Er fügte hinzu, als freue er sich: ‚,Der Besitzer ist schon lange tot, niemand wollte es haben und so kaufte ich es für einen Kreuzer, aber ich habe es noch nicht renoviert,“ während sich gleichzeitig die Decke allmählich mit dunklen Flecken färbte. Die Decke wölbte sich, aber auch die Eingangstür fing an zu knarzten und zu quietschten. Der Professor fragte mit ernstem Ton: ‚,Stimmt etwas nicht, Luzifex?“ Ich überlegte kurz, ersparte mir aber die Frage, woher er wusste, dass ich mir das Gebäude ansehen wollte.
Wieder beobachtete mich Professor Zeitwandler wie ein Vogel, aber diesmal begannen seine Augen zu funkeln. Er murmelte vor sich hin: ,,Hmm, nein, das reicht noch nicht." Er packte mich am Arm, zog mich zu seinem Platz und sagte: „Wo Ihr schon mal hier seid, habt Ihr schon meinen Computer gesehen?“
Der Professor hatte die Kraft eines Bären. Seinem hypnotischen Blick konnte ich mich nicht entziehen. Er lächelte - und ich meinte auch, Klauen und spitze Zähne zu sehen, als er mir den Computer zeigte. Er hatte eine eigene Vision eines Computers entwickelt, und nannte ihn Elektrograph. Dieses Gerät bestand aus einer alten Schreibmaschine mit Metalltasten, die durch ein Gewirr von Drähten mit einem Röhrenfernseher verbunden war. Wenn der Professor die Tasten drückte, ertönte ein Schreibmaschinengeräusch. Nach einer gefühlten Ewigkeit leuchteten die getippten Buchstaben langsam und verschwommen auf dem Bildschirm auf - in einer bunten Farbe, die fast an das Leuchten von Geisterschrift erinnerte. Stolz erklärte er mir, dass Schreibmaschine und Fernseher über einen Telegramm-Resonanz-Prozessor miteinander verbunden waren.
Von Zeit zu Zeit musste der Professor das Gerät manuell synchronisieren, indem er den Schreibmaschinen-Wagen einmal zurück schob. Da moderne Festplatten der Reinheit des Geistes abträglich waren, speicherte der Professor die wichtigsten Texte in einem eingebauten Tintenkissen, das unter der Schreibmaschine befestigt war. Es stempelte jedes Wort auf ein Stück altes Pergament, das automatisch weitergeschoben wurde. Es sah eher aus wie eine Reihe verwischter Flecken, aber er bestand darauf, dass es sich um das Gedächtnis des Elektrographen handelte.
,,Die Menschen von heute sind von elektrischen Schaltkreisen abhängig!” rief er und tippte leidenschaftlich auf die Tasten herum. „Worte brauchen Mechanik, Schwung und Musik, jaah!“
Doch von Zeit zu Zeit stürzte sein Elektrograf ab - und der Bildschirm zeigte nur ein statisches Flackern. Dann murmelte er grimmig etwas von Kraftströmen. Seine Absurdität kannte keine Grenzen - und doch schien dieser Elektrograf wie von Geisterhand irgendwie zu funktionieren.
Unverhofft klingelte es an der Tür, doch es klang wie ein Kichern. Von draußen rief Felexes: ,,Wir sind bereit".
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich bedankte mich bei Professor Zeitwandler. Vor der Tür warteten auch schon die Höllenhunde, um uns nach Freythalis zurückzubringen. Mit schelmischem Blick und euphorischem Ton sprach der Professor: „Habt euch wohl und besucht mich wieder. Ach, was sage ich – ich komme einfach vorbei.“ Er beobachtete Felexes mit Argusaugen, sagte nur ,,Felexes“ als Begrüßung, und Felexes war für den Angriff bereit. Ich muss zugeben, der Professor war unheimlich und ich wurde das Gefühl nicht los, dass andere Mächte dahintersteckten. Und, wo war der Butler Dämmerstein überhaupt abgeblieben?
Wie in Hirschstrom üblich, ging es mit viel Spektakel, Gekicher und Gelächter, aber auch mit Rauch und warnendem Glockengeläut heimwärts – auf dem gleichen Weg, den wir gekommen waren. Natürlich fehlten die Koffer, die ich bei Professor Zeitwandler vergessen hatte, doch das sollte kein Problem sein, wie sich schnell herausstellte. Kurz nachdem die Höllenhunde wieder verschwunden waren und sich die Fenster geschlossen hatten, öffneten sie sich erneut, und die Koffer flogen uns entgegen.
,,Ihr habt Eure Koffer vergessen, per Luftpost werden sie Euch nachgesendet. Herzlichst, Dämmerstein," erklang eine Stimme, gefolgt von einem Gelächter.
Wie von Geisterhand schlossen sich die Fenster von selbst – ganz leise, nur ein kleines Quietschen war zu hören. Wie du siehst, sind Höflichkeit und Hilfsbereitschaft in meiner Welt keine Fremdwörter, sondern mindestens so warmherzig wie das lodernde Feuer und wie das Knistern und Knacken im Kamin.
Vielleicht denkst du gerade, dass Professor Zeitwandler mit seinen Ideen ein Spinner oder ein Idealist ist, aber so ist das nicht gemeint. Seine Erfindungen mögen grotesk oder absurd erscheinen, doch es gibt Technologien, die nie aus der Mode kommen oder in Vergessenheit geraten, wie zum Beispiel die Schallplatte (LP) und die Video-Kassette (VHS). „Ja, oder wie das Future-Phone, ähnlich wie ein Blackberry, aber mit alternativem Betriebssystem“, hallte es bei mir im Hintergrund durch Professor Zeitwandlers Stimme. „Ah... für manches könnte ich die Schreibmaschine auch heute noch gebrauchen.“, rief ich.
,,N'oorh, dieser Elektrograph...., es ist alles wie verhext." hörte ich den Professor fluchen, gefolgt von einem Gekicher. Mit einem Mal erklang ein Klappern und Scheppern, als würde jemand in der Küche Schranktüren und Schubladen öffnen und zwischen Kabeln, Töpfen, Schüsseln und Elektroteilen etwas suchen. „Hach, das ist auch wieder... also, wo ist es denn?“, erwiderte die Stimme des Professors, worauf ein neckisches Kichern folgte.
Ein wedelnder Schweif streifte meinen Nacken. Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, dass der Professor hinter mir wäre. Doch es war Felexes, der beobachtete, was ich am Schreibtisch machte. Nun, wie bei der VHS und der LP gibt es immer noch Leute, die den alten Technologien treu bleiben oder nach einer Kombination suchen. Stell dir mal DJ's oder MC's ohne Mischpult vor. Für mich bleibt der Professor ein Tüftler und ein Dämon mit Geist, der es versteht, Altes zu bewahren und mit Neuem zu verbinden.
An einem anderen Tag erzählte Felexes die Geschichte des Anwesens von Hirschstrom. Die Geschichte mit dem Professor, der das Haus für einen Kreuzer gekauft hat, stimmt nicht ganz. Denn der Professor war schon immer da, aber niemand durfte hinein. Zum einen mochten ihn die Leute nicht, wegen seiner undurchsichtigen Experimente. Zum anderen versteckte sich der Professor, um in Ruhe experimentieren zu können. Wie alle Dämonen ist auch der Professor ein solches Wesen, doch sein Alter entzieht sich längst jeder Zahl – es reicht zurück in Zeiten, an die sich kein Wesen mehr erinnert. Da er aber sich die meiste Zeit im Dunkeln aufhält, den Hexen und dem Teufel gefällt, und auch für sie Aufträge erledigt, bekommt er als Lohn die fortwährende menschliche Gestalt sowie die ewige Jugend. Doch wer der Butler Dämmerstein war, bleibt bis heute ungelöst.
Felexes mochte das Gebäude des Professors nicht; er wusste, dass dort Katzen lebten, aber zwischen ihnen herrschte eine mystische Spannung und Rivalität. Die Artefakte in seinem Atelier erschienen ihm gefährlich. Sie sollten unabhängige Kräfte kontrollieren und zähmen. Nur, Felexes ist ein unabhängiger und magischer Kater. Für ihn wäre es ein Gefängnis gewesen. Aber der Professor hatte auch Furcht vor Felexes, weil er spürte, dass seine Experimente und Taten durchschaut werden könnten. Dennoch als mein Gefährte wollte mir Felexes meine Wünsche erfüllen und seine Geheimnisse zuvor nicht offenbaren. Und so geht wieder eine Geschichte zu Ende mit der Vorfreude auf neue Abenteuer.
Im alten, neuen Hirschstrom ist wieder was los. Es klappert und scheppert, als würde jemand eine Küche auseinander nehmen.
Professor Zeitwandler tüftelt. Er sucht, kramt, hämmert, schraubt und kichert dabei wie ein Troll, der etwas ausheckt.
Den roten Button hat Professor Zeitwandler schon gedrückt. Nur hat er vergessen, jemanden dazuzuholen, damit die Geschichte festgehalten wird. Darum hat er mich als Erzähler besucht und abgeholt. Das Abenteuer läuft – schriftlich gesehen dauert es noch.
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