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Geschichten auf den Versen
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Geschichten auf den Versen
In dieser Geschichte dreht sich alles um tierische Begleiter und geheimnisvolle Magie. Es erwartet uns ein skurriles Abenteuer voller Mythen und Legenden. Hier treffen Absurdität und Magie aufeinander, während die Stimmen der Vergangenheit widerhallen. Die Geheimnisse von Hirschstrom haben zwar Parallelen zu „Hirschstrom – Die Erwachenden” (Fantasy), bleiben jedoch eigenständig und unverwechselbar. Die Story beginnt in einem Märchenwald, wo der Protagonist Luzias auf der Suche nach den Geheimnissen von Hirschstrom ist. Er trifft auf das technikbesessene Wildschwein Grunzeiler und den majestätischen, exzentrischen Hirsch Hirschgar, doch eingekesselt zwischen quiekende Nachrichten, seltsamem Hexen-Hirschgulasch, Absurdität und Chaos beschließt er, zu Pate Fuchs zu gehen, der in einem Mammutbaum lebt. Dort genießt er einen Kräutertee und döst ein, während Pate Fuchs ihm von einem Drachen, einem verfluchten Schatz und einer mutigen Prinzessin erzählt. Am nächsten Morgen entdeckt er, dass Pate Fuchs verschwunden ist, und beschließt, Gevatter Bär zu suchen. Im Gespräch erfährt er mystische Geschichten von verlorenen Wanderern, feiernden Hexen und Teufeln und von den Gefahren der Berge. Nach einer schroffen Verabschiedung bei Gevatter Bär trifft Luzias Gevatter Höllenfeder. Mit dem zweiköpfigen Vogel unternimmt Luzias eine Reise in ein Theater, um das Mysterium über Hirschstrom zu ergründen – ein Schauspiel, in dem dunkle Kräfte und alte Mythen aufeinandertreffen und unerwartet bekannte Gestalten sich wiedersehen.
(Fantasy)
René March, 05.01.2024
Aktualisiert: 05.06.2025
Tief in einem dichten, alten Bergwald lag das kleine Dorf Hirschstrom. Hier, zwischen Märchen und Zauberwald, Mammutbäumen und Koboldpfaden, lebte ein ungewöhnliches Schwein namens Grunzeiler, genauer gesagt ein Wildschwein. Diese Geschichte handelt nicht nur von Grunzeiler, sondern vor allem von mir, Luzias, der neugierig war, die Geheimnisse dieses seltsamen Ortes zu ergründen. Ich kannte den Ort Hirschstrom schon lange, hatte aber nie viel von den geheimnisvollen Hintergründen gehört - von Hexen, Teufeln und seltsamen Erscheinungen, die dort ihr Unwesen trieben.
Eines Tages kam ich nach Hirschstrom, um endlich Antworten zu finden. Und wer könnte mir dabei besser helfen als Grunzeiler, das klügste Schwein des Waldes, das auch für seinen sturen und kämpferischen Charakter bekannt war. Grunzeiler trug eine Fliegerkappe und eine Fliegerbrille. Aber trotz der Fliegerbrille konnte er schlecht sehen, weshalb er ein Fernglas benötigte. Er lebte mit seiner Familie in einem alten, verrosteten Flugzeugjet.
Einer Legende nach lebte Grunzeiler, der manchmal auch Grunzelord genannt wurde, in Bad Sonstwo hinter Nirgendwo. Er war ein Profi in Rundfunk- und Fernmeldetechnik. Wer mit dem Ort nichts anfangen kann: Ursprünglich hießen die Orte Heiligen und Schein. Sie wurden immer wieder umbenannt – eine Taktik, um die Leute zu verwirren. Für Hirschstrom hatte die Technik eine Schlüsselrolle, da sie wegen der Gefahr des Verrats von Geheimnissen unter Kontrolle gehalten werden musste.
Im Gegensatz zu vielen Sagen, Märchen und Fabeln ist Grunzeiler weniger ein Pate oder Gevatter, sondern vielmehr ein selbsternannter Boss des Waldes. Er hat einem immer die Taschen vollgehauen. Für andere war es schwer, diese Last zu tragen. Zudem ist er ein regelrechter Rammer, möchte man meinen, der ordentlich etwas rammen kann. Nun, die Technik schien ihm über die Jahre aber etwas zu Kopf gestiegen zu sein; möglicherweise hatte er sich Bugs zugezogen, die durch Folgeschäden entstanden waren. Bugs sind übrigens kleine Marienkäfer, die auf seinen Borsten sitzen und dafür sorgen, dass er sauber bleibt. Denn er suhlt sich oft im Schlamm, und die Bugs helfen dabei, ihn wieder zu reinigen.
Der Boss Grunzeiler trägt auch eine Trillerpfeife bei sich, die braucht er, um seine Familie zurückzupfeifen, wenn sie nicht parieren, rangeln oder stoßen. Das Unglück ist aber, dass er oft nicht weiß, woher die Töne kommen, also ob von der Trillerpfeife oder seinem Pager. Da, gerade pfeift er wieder, weil sich die Familie um das Fressen streitet.
„Oh, ich habe eine Message, einen Augenblick bitte“, sagte Grunzeiler.
„Aber Onkel Quiekfried, Ihr habt doch gerade gerufen“, entgegnete Grunzar, ein Bruder der Familie.
„Grunzeiler! Ich brauche Eure Hilfe!“ rief ich, als ich das Wildschwein unter einer alten Eiche fand, wo es genüsslich Eicheln kaute.
Grunzeiler, der gleichzeitig mit seinem Pager spielte und eine Nachricht über seine Satellitenschüssel verschickte, hörte zu, kaute weiter und schaute auf. „Hmpf?“ machte er. „Moment... Pieeep... Ich glaube ich bekomme gerade ein Fax rein."
,,W-was, ja, was wollt Ihr? Wer seid Ihr. Ach, ich brauche mein Fernglas."
„Hirschstrom kenne ich, aber ich weiß nicht viel über die seltsamen Dinge, die hier geschehen sollen. Es heißt, dass eine unsichtbare Kraft durch den Boden fließt, die Hexen, Teufel und Wanderer anzieht. Könnt Ihr mir etwas darüber erzählen?“, fragte ich.
,,Seid doch bitte so liebenswürdig und geht in den Schatten, dort kann ich Euch besser verstehen. Mit meinem Fernglas sehe ich in der Sonne nicht so gut," sagte Grunzeiler.
Grunzeiler war immer noch auf der Suche, also setzte ich mich auf einen umgefallenen Baumstamm und wartete geduldig. Ich zog mein Handy heraus und machte ein paar Fotos, die ich verschicken wollte. Doch das funktionierte nicht. Also zog ich die Antenne des Handys heraus, steckte es in ein Netzbeutel und schwang es durch die Luft. Und siehe da – wie durch Zauberhand wurde die Nachricht verschickt. Natürlich war das Käse, selbstverständlich hatte ich mein Festnetztelefon mit Wählscheibe dabei. Damit konnte ich Nachrichten versenden. Ich sagte: ,,das dauert aber lange."
Grunzeiler sah auf und sprach: „Fasset Euch kurz, es ist eine Kurznachricht. Sonst dreht Ihr Euch am Ende noch einen Wolf.“
Da er sah, dass ich beschäftigt war, sprach er weiter. „Hirschstrom?“ fragte Grunzeiler, während er mit seiner Schnauze im Laub wühlte. „Ja, ja, das ist der Ort hier. Eine Kraftlinie fließt durch den Boden. Sie macht die Hexen stark, sorgt dafür, dass die Teufel Blitze schleudern können, und Wanderer... na ja, die spüren sie, glaube ich. Es kitzelt an den Füßen oder so. Aber ehrlich gesagt, keine Ahnung, ich bin ja nur ein Schwein.“
Ich atmete tief ein und schraubte große Augen: „Das ist nicht zu leugnen, aber Ihr seid doch der Experte hier!“
„Bin ich ja auch!“ sagte Grunzeiler, drehte sich um und richtete seine Satellitenschüssel gegen den Himmel.
Ein Grunzen, Piepen und Funken erfüllte die Luft.
„Jaha, Onkel Quiekfried, ich weiß, die besten Eicheln liegen am Südhang."
,,Nein, das ist meine Sache, mischt Euch nicht ein!“ Während Grunzeiler heftig mit seinem unsichtbaren Gesprächspartner diskutierte, zankte sich im Hintergrund seine Familie lautstark um einen Haufen Eicheln. Grunzer, sein Bruder, hatte sich einen besonders großen Fund geschnappt, was prompt zu lautem Quieken und einem regelrechten Gerangel führte.
„Grunzeiler!“ rief ich verzweifelt. „Könnt Ihr Euch nicht einmal auf mich konzentrieren?“
„Konzentration ist überbewertet“, grunzte Grunzeiler und biss in eine weitere Eichel. „Aber ich sag Euch eins, Junge: Hirschstrom ist ein seltsamer Ort. Es knistert, piept und summt hier ständig. Vielleicht liegt’s an den Bäumen, oder den Hexen. Oder... Moment mal!“ Seine Augen blitzten. Ich seufzte. Dieses Schwein war unfassbar schlau – aber genauso chaotisch. Trotz all seiner Technik und seines Wissens war Grunzeiler vor allem eines geblieben: ein Schwein, das keine Gelegenheit ausließ, sich in Streit, Technik oder Eicheln zu verbeißen.
Es wurde mir schnell bewusst, dass ich hier nicht weiter komme und keine klaren Antworten bekommen würde. Daher beschloss ich, weiterzusuchen und zu jemandem zu gehen, der mehr über die geheimen Hintergründe des Ortes wusste – meinem alten Freund, dem Paten Fuchs. Der war schon immer derjenige, der die besten Geschichten kannte und mehr über den Wald wusste als jeder andere. Und so machte ich mich auf den Weg, mit dem Plan, den nächsten Teil des Geheimnisses von Hirschstrom zu lüften. Ich fuhr mit der Bahn, doch weit kam ich nicht, denn Efeu umschlang die Räder und ließ die Bahn rückwärts fahren. Also ging ich zu Fuß weiter.
Auf einmal vernahm ich Geräusche, die klangen wie das Rauschen von Blättern und das Donnergrollen. Ein Bock mit weißem Bart, roten Augen, schwarzen Hörnern und grauen Hufen schien gerade beschäftigt zu sein. Er lief von Laubhaufen zu Laubhaufen, schob die Laubhaufen mit seinen mächtigen Hörnern vor sich her und schleuderte sie dann mit einem kräftigen Kopfwurf durch die Luft. Es sah aus wie ein wütender Tanz.
Über den Bock sprach man viel im Dorf und in den Wäldern. Seine Gestalt blieb lange ein Geheimnis – verborgen in den Erzählungen, nicht in der Realität. Manche fürchteten ihn als wild und unberechenbar, doch er blieb ein Schatten. Man nennt ihn Muscor Rocormus. „Es klingt mystisch und drakonisch, das reicht“, sagten alle. Er trägt seinen Namen mit Würde – und das zählt mehr als die Herkunft.
Unsere Blicke trafen sich. Mit fixierten Blicken und nahezu regungslos stand er da, der Bock. Ein Blick in seine Augen genügte, und ich wusste, dass es besser war, ihm nicht zu nahe zu kommen.
„Was ist? Hä?“ murmelte Muscor Rocormus mürrisch. Er sprach kaum und starrte stattdessen auf seine Muskeln, die unter dem Fell zitterten. Ich trat näher:
„Was macht Ihr hier? Und... warum?“
Muscor Rocormus hob den Kopf: „Das muss ich machen. Sie hat's gesagt. Ist'n Training.“
,,Hier muss Ordnung rein“, ahmte er ihre Stimme nach und schnaubte dann.
„Wer ist sie?“ fragte ich.
„Kann ich nicht sagen. Darf ich nicht.“
Dann wechselte Muscor Rocormus abrupt das Thema:
„Sagt, habt Ihr Kekse oder Kuchen?“
„Nein,“ sagte ich enttäuscht. Dann, wie von einem Gedanken durchzuckt: „Die müsste ich erst backen...“
Muscor Rocormus nickte. Sein Blick wirkte zufrieden, zugleich schien es, als warte er auf etwas.
„Na dann. Der Tag beginnt mit einem festen Huftritt,“ sagte er kämpferisch. Dann drehte er sich um und machte weiter mit seinem Training. „Reisende soll man nicht aufhalten – und wer Kuchen bringt, hat immer einen Platz am Feuer.“
Auf meinem weiteren Weg traf ich einen Hirsch, er hatte weiches weißes Fell und trug ein majestätisches Geweih.
In einem alten, vergessenen Land, das tief in den finsteren Wäldern verborgen liegt, erzählt man sich von einem weißen Hirsch. Dieses mystische Wesen erscheint nur jenen, deren Seelen von tiefem Zweifel geplagt sind. Man sagt, er sei ein Bote einer höheren Macht. Tagsüber sieht man ihn nicht, doch in der Dämmerung und im Morgengrauen hört man ihn röhren, während er durch die Schatten wandelt – ein Wächter an der Grenze zwischen Licht und Dunkelheit.
In den Stunden, wenn der Wind wie ein Sturm fegt und durch die Bäume heult, sagen die Legenden, dass sein Blick die Seelen der Verlorenen sucht.
Wer ihn erblickt, sollte innehalten, denn sein Auftauchen ist niemals zufällig. Mit einem schneeweißen Fell, majestätischem Geweih und einem anziehenden Blick, der in die tiefsten Seelen schauen kann, steht er da. Mal steht er wie festgewachsen an einem Ort, fast wie ausgestopft oder verwachsen mit Erde und Stein; mal läuft er leise und sanft wie eine Feder, und manchmal stolziert er wie ein Wolf oder ein Pferd. Sein Geweih gleicht dem der Äste, geschmückt mit grünen Zweigen und Gräsern. Seine Farbe steht für Reinheit und Unschuld. Die Augen strahlen eine rätselhafte Weisheit aus, die mehr sieht, als andere je erahnen könnten.
Er ist kein gewöhnliches Geschöpf, sondern der letzte Hoffnungsschimmer für die, die in der Dunkelheit gefangen sind. Wenn der Hirsch erscheint, ist es ein Zeichen, eine Aufforderung zur Einkehr, ein Ruf, die Irrwege zu verlassen. Die Legenden flüstern, dass er die Seelen der Verlorenen sanft zurückführt, sie aus der Finsternis leitet und ihnen den Weg zur Erlösung zeigt. Doch wer ihm folgt, muss bereit sein, sich den eigenen Dämonen zu stellen.
„Habt Dank“, sprach ich zur schwarzen Katze, die sich mit würdevoller Miene neben mich gesetzt hatte. Mit einer Taschenlampe, die sie wie einen Zauberstab schwang, fuchtelte sie wild umher – als wolle sie Geschichten am Lagerfeuer erzählen. Vielleicht hatte die Taschenlampe auch nur einen Wackelkontakt oder die Batterien neigten sich dem Ende zu. Es bleibt ungewiss, denn als der Hirsch sich mir näherte, verschwand sie. Mit ihrer Pfote kniff sie sich in die Wangen und sagte: „Ich muss weiterziehen.“
Möglicherweise hatte sie sich auch nur gekratzt, so genau konnte ich das nicht erkennen, denn sie hatte sich eingerollt wie ein Igel. Schwarze Katzen gab es hier viele; sie mischten sich mit den Wildkatzen, und viele konnten nicht unterscheiden, ob es sich um eine Wild- oder Hauskatze handelte.
„Hey, Ihr da! Ihr seid doch Luzias, der mich im Morgengrauen immer beobachtet, oder?“
„Ich beobachte Euch im Morgengrauen. Wer sagt das?“
Der Hirsch erwiderte: „Ach, redet doch keinen Unsinn! Ich erkenne diese Augen.“
„Ach, Hirschgar“, sagte ich und verriet mich dabei.
Der Hirsch stand aufrecht, klopfte mit seinen Vorderläufen auf meine Schulter und kratzte sich mit seinen Hinterläufen am Bauch.
„Aber wo Ihr schon mal da seid, Luzias...“ Holzböcke fielen wie Schuppen von ihm. Er schob die Holzböcke mit seinen Hinterläufen zur Seite. Mit hektischen Augenbewegungen sagte er: „Das sind Holzböcke, ähm Böcke, also kleine Helfer... Schreiner bin ich."
Auch ich bewegte meine Augen hin und her und sagte: „Ja, das wird es wohl sein.“
Eine merkwürdige Stimmung kam auf, doch Hirschgar wusste abzulenken.
„Ihr seid doch hier mitten im Wald. Warum fragt Ihr mich das?" Ich war verwundert.
„Was für eine Frage, hier gibt es so viele Bäume! Ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht“, antwortete er.
Dann kramte ich in meiner Tasche und fand ein paar Eicheln und Kastanien.
„Hier, ich hab was gefunden.“
Ich streckte meine Hand aus und er fraß aus meiner Hand.
„Die habe ich bei Grunzeiler mitgehen lassen, weil er ständig beschäftigt war und mir keine Fragen beantworten konnte. Damit er nicht so viel nach Eicheln sucht, habe ich sie einfach eingesteckt.“ Hirschgar grunzte vor Lachen.
Noch während Hirschgar fraß, fragte ich: „Woher kommt eigentlich der Name Hirschstrom?“
Er mampfte und schmatzte. „Na, das ist doch ganz einfach! Die Antwort auf die Frage steckt doch schon im Namen: Hirsch und Strom. Wir Hirsche stehen ständig unter Strom, oder wir sind ein Strom an Hirschen“, sagte Hirschgar.
„Ah ja, mit dieser Antwort hatte ich gerechnet,“ sagte ich.
„Ja, einfach und logisch, nicht wahr?“ erwiderte Hirschgar.
Mit einem Mal beugte sich Hirschgar nach vorne, senkte den Kopf, scharrte mit seinen Läufen in der Erde und richtete sich wieder auf. Dann trommelte er mit seinen Vorderläufen durch die Luft, als ob er boxen würde, und röhrte dabei. Es klang wie das Wiehern eines Pferdes. Er schüttelte sein wildes Haar, das in der Sonne glänzte. Oder waren es die Reste von grünem Gestrüpp, die wie eine Zierde in seinem Geweih rankten? Vermutlich beides. Mit erhobenem Haupt sprang und galoppierte er triumphierend durch die Gegend und kam wieder zurück.
Hirschgar hatte neue Kraft gesammelt, beugte sich vor und stieß mich mit seinem Geweih auf den Rücken. Ohne viele Worte sprang er mit mir wie ein junges Ross durch den dunklen Wald und über einen großen, rauschenden Bach, in dem die Fische auf und ab sprangen. In der Ferne sah ich das Schloss des Dorfes. Plötzlich bremste er scharf.
„So, Luzias, hier endet unsere Reise.“ Er legte sich mit den Hinterläufen auf den Boden und sagte zu mir: „Ihr könnt mir den Buckel runterrutschen.“ Gesagt, getan. Es ging wie auf einer Rutschbahn.
Und jetzt? Wir standen in einem nebligen Wald, der so aussah, wie ein riesiges Moor mit morschen umgestürzten Bäumen. Das soll Hirschstrom sein, dachte ich, gut, ich war schon lange nicht mehr hier, aber Häuser gab es hier nicht, und an einen Untergang oder eine Waldpampa glaubte ich nicht.
Plötzlich hallte ein Ruf: ,,Halt!"
Es war ein Mütterchen. Sie sah verwildert aus - mit orangefarbenem Fell und buschigem Schwanz. Alles konnte ich nicht erkennen, denn sie war in einen roten Umhang gehüllt. Aber in dieser Gegend wunderte mich gar nichts mehr, die Eulen badeten im Moor und schauten mit einem Giftblick zu uns rüber. ,,Huhu, ich habe Hirschgulasch für Euch.“, sprach das Müttcherchen.
„Ah, Hexe Grimelda Gifthauch, äußerst kompetent und seriös“, bemerkte er geschwollen und erhobenen Hauptes. Er holte mehrmals tief Luft und sagte: "Ja, ja, ja". Er schien in Gedanken versunken zu sein. Ich konnte mir ein Lachen kaum verkneifen.
Zum Essen sagte er nicht nein und fragte mich, ob ich auch mal probieren wolle. Es roch köstlich, aber andererseits.... Nein, freundlich, lehnte ich ab.
„Ich habe auch Wildschweingulasch“, antwortete die Hexe, doch Hirschgar erwiderte: „Nein, danke, ich bin kein Schwein. Ich will niemandem etwas wegnehmen“, sagte er, während er mampfte und dabei vor Lachen grunzte.
„Dieses Hirschgulasch besteht aus Pilzen, Kastanien und Knödel, verfeinert mit den besten Kräutern. Gulasch für den Hirsch,“ sprach die Hexe und kicherte dabei finster, als stünde sie vor einem Kessel und braue etwas zusammen.
Vermutlich ein Stiefmütterchen - die Hexe, dachte ich, während sie dabei kicherte. Gestärkt und mit vollem Magen ging's weiter. „Habt Euch wohl,“ sprach Hirschgar und verschwand, auch die Hexe war verschwunden.
Nun stand ich da, allein im Wald, doch in der Ferne hörte ich die Turmuhr. Das gab mir Orientierung. Auf dem weiteren Weg traf ich auf eine kleine Gruppe von Tieren. Es wirkte wie ein Sportplatz oder wie ein Fitnessstudio für kleine Waldbewohner.
Ein Salamander kletterte über den Boden, als wolle er den nächsten Berg erklimmen. Seine Bewegungen wirkten langsam und elegant, aber zielstrebig. "Ich kraxle mal hier und mal dort, wie ein Bergsteiger, der nie aufgibt", murmelte er schnaufend. Seine Vorfahren waren einst große Bergsteiger, da war er sich sicher. Er kraxelte unbeirrt weiter, als wäre der Wald mit seinen Felsen selbst ein riesiges Gebirgsmassiv.
Gleich daneben saß eine Kröte, ruhig an einem Felsenspalt. Sie war nicht sehr gesprächig, aber ab und zu ließ sie ein "Jaah" von sich hören. Ihre Gedanken schienen tief zu gehen, vielleicht in die unerforschten Ecken der Welt oder einfach in die Stille des Waldes.
Immer wieder sauste durch die Menge etwas von links nach rechts und hin und her. Es war eine Echse, sie wurde Flitz gerufen. Sie war das genaue Gegenteil der Gruppe – immer auf Draht. Sie sauste durch die Blätter und über die Felsen.
Zwischen dem Getümmele war eine Blindschleiche. Er wurde Schleicher genannt. Mit seinem glänzenden Körper tanzte er über den Boden, als würde jemand Serpentinen überwinden. Zwischendurch machte er Rast, setzte seine Brille auf und las in einem Buch. Schleichers Art wirkte hypnotisch – eine Mischung aus Yoga und Seilhüpfen.
Für kurze Zeit herschte Ruhe. Im Hintergrund hörte ich einen Fluss rauschen. Eine Schlange kam leise aus dem Gebüsch. Es war eine Kreuzotter. Sie kam auf mich zu und streckte ihre Zunge heraus - vermutlich eine Art Begrüßung. Es kam mir bekannt vor.
Fantastisch, wie ein Gecko war sie in der Lage, ihre Farbe zu wechseln. Mal war sie schwarz, mal rot-schwarz, mal grau, mal rot-braun. Sie hatte verschiedene Muster und farbige Punkte auf der Haut. War sie eine Kriegerin? Waren die Muster vielleicht gemalt oder gar tätowiert? Es gibt viele Gerüchte, aber niemand weiß es so genau.
Lispelnd sprach sie zu mir: „Luzzz...iasss... Ich bin Euch immer einen Schritt voraus, aber wehe Euch, Ihr drängt Euch in mein Reich. Zwischen Mammutblättern, Schilf und Gräsern bin ich überall und nirgends.“
Nach diesem kurzen, aber prägnanten Monolog schlängelte sie sich weiter und verschwand dann in den Büschen.
„Was war das jetzt?“ fragte ich. Flitz rannte durch die Gegend und rief: „Das war Kreuzer. Sie sagt, sie sei vom Orden Ottern!“ und kicherte.
„Ja, Kreuzer sieht man selten, doch sie ist bekannt. Sie wird Euch weder aufsuchen noch verleiten, wie man denken mag. Aber Ihr solltet Euch vor ihr in Acht nehmen, ein Biss von ihr kann unangenehm sein und für manche auch gefährlich“, sagte Schleicher, der gerade in einem dicken Wälzer oder Lexikon über Schlangenarten vertieft war und dabei in Wortspielerei verfiel, während er sinnierte. Er schaute mich ohne Mimik an, seine Brille hing dabei etwas tiefer auf der Nase herunter, als wäre sie zu groß. Charismatisch war er, keine Frage.
"Heute ist alles ein bisschen komisch hier", sagte ich. "Kennt Ihr Hirschgar und Grunzeiler?"
Kröte antwortete: ,,Jaah." Sie schaute mich kurz an und schweifte dann mit ihrem Blick wieder in die Ferne.
"Hier ist alles ein bisschen anders, ein Märchen, ein Zauberwald – wer weiß das schon so genau", rief Flitz beim Vorbeilaufen und kicherte dabei.
"Eigentlich wollte ich etwas über Hirschstrom wissen", sagte ich, "aber so wird das nichts. Naja, es wird dunkel, und ich werde erst einmal in meine Unterkunft gehen. Vielleicht erfahre ich ja morgen mehr von Pate Fuchs."
Und so verabschiedete ich mich.
Erneut sagte Kröte ,,Jaah" und hüpfte weiter zwischen Laub und Felssteinen hin und her.
Salamander rief mir hinterher: „Wartet auf mich, ich begleite Euch ein Stück.“ Nach ein paar Wegschritten und ohne Wortwechsel sprach Salamander zögernd: „Wisst Ihr, nichts ist so, wie es scheint.“
"Ja, das sagte mir auch einmal Pate Fuchs", erwiderte ich.
"Seltsam", sprach Salamander, setzte sich ein Försterhütchen auf und kraxelte weiter. Er krabbelte vor mir.
"Eine Kaffeebohne, zwei Kaffeebohnen, uufff und noch eine Kaffeebohne", sprach er.
Zum Glück war es noch nicht ganz dunkel, und mit Salamander gemeinsam genoss ich die frische Waldluft. Ja, Salamander war in seinem Element, das ist unbestreitbar. Ich mochte ihn – seine ruhige, langsame und beschäftigte Art, mit der er mir den Weg wies.
An der Lichtung des Dorfes angekommen, verabschiedeten wir uns. Salamander verschwand im Gebüsch. Gleich dahinter floss ein kleiner Bach.Dort saßen noch mehr Salamander um ein kleines Feuer herum - Feuersalamander eben - alles ganz normal, dachte ich mir. Neben ihnen lagen kleine Rucksäckchen und Holzstöckchen. Alle wirkten so, als seien sie viel gewandert und würden dabei über ihre Abenteuer erzählen.
Ich dachte an Grunzeiler, der sagte, hier in Hirschstrom sei alles anders. Na ja, und... Recht hatte er, einerseits könnte das die Seltsamkeit oder, milder ausgedrückt, den Individualismus des Waldes erklären. Andererseits war es nicht das Hirschstrom, wie ich es kannte. Und wenn das alles so weitergehen sollte, würde ich das Geheimnis wohl nie erfahren. Auch Pate Fuchs benahm sich manchmal merkwürdig. Während ich noch nachdachte, hörte ich im Hintergrund ein Grunzen und Quieken:
„Piep, piep, ich bekomme schon wieder eine Nachricht rein.“
Schmunzelnd ging ich zu meiner Unterkunft, um dort die Nacht zu verbringen und am nächsten Tag Pate Fuchs aufzusuchen.
Im Herzen der Stadt, wo der Dom emporragte,
schritt Luzias, von Menschen gedrängt und geplagt.
Der Platz war belebt, die Stimmen laut,
der Wind trug Worte, die sich zum Himmel trauten.
Der Dom, so mächtig, in steinernem Glanz,
strahlte ehrfurchtsvoll im Sonnentanz.
Menschen eilten, von nah und fern,
durch Tore groß, als suchten sie den Stern.
Luzias hielt inne, vor dem prächtigen Tor,
wo Pilger verweilten und davor knieten.
Glocken erklangen, der Klang so rein,
als ob die Zeit selbst friedlich sein wollte.
Doch inmitten des Trubels, inmitten der Stadt,
spürte Luzias den Ruf, der ihn fortgeführt hatte.
Durch die Menge hindurch, durch das bunte Treiben,
zog ihn der Wald, wo Legenden blieben.
Die Schritte führten ihn fort vom Dom,
hin zum Wald, wo Magie fromm verweilte.
In dem Nebel des Waldes, fern von der Stadt,
fand Luzias die Ruhe, die ihm Frieden brachte und Rat.
Tief im Wald, bei Eichen und Farn,
traf Luzias auf eine mächtige Bärenfigur an.
Ein Bär so groß, mit Augen wie Feuer,
sein Blick durchdrang, als ob er ein Geheuer sei.
Doch neben dem Bären, in Rüstung schwer,
stand ein Krieger, finster und leer.
Seine Augen glühten, wie Kohlen in der Nacht,
sein Schwert an der Seite, im stillen Schatten wachte.
Der Bär brummte, die Erde bebte,
und sprach zu Luzias, der sacht erbebte:
„Der Waldgeist schickte mich, dich zu führen,
auf Pfaden, die tief ins Herz des Waldes führten.
Der Krieger hier, ein Wächter und Freund,
schützte die Geheimnisse, die der Wald vereinte.
Suchtest du die Wahrheit, suchtest du dein Ziel,
so folgtest du uns, mit Mut und mit Gefühl.“
Luzias nickte, sein Herz voll Staunen,
folgte dem Bären und dem Krieger durch das Launen.
Die Bäume wichen, der Pfad wurde klar,
wo Legenden warteten und die Wahrheit war.
Im Herzen des Waldes, bei tiefem See,
blieben sie stehen, der Blick so weise und seh’.
„Hier endet dein Weg, doch nur fürs Jetzt.
Der Wald birgt mehr, was tief im Dunkel schwätzte.“
Der Bär verschwand, im Nebel zerfloss.
Der Krieger nickte stumm, als der Nebel ihn umfloss.
Luzias spürte die Kraft, die ihn umgab,
und wanderte weiter, mit dem Wissen, das ihn liebte.
Tiefer in den Wald, wo das Dunkel regierte,
hörte Luzias ein Heulen, das durch die Bäume führte.
Ein Wolf trat hervor, sein Fell so grau,
seine Augen leuchteten, wie Sterne im Tau.
Der Wolf schaute Luzias an, mit Blicken voll Sinn,
als ob er wüsste, woher Luzias kam und wohin.
„Ich war der letzte Hüter, der Wächter der Nacht.
Folge mir, Wanderer, denn die Reise war nicht vollbracht.“
Luzias folgte dem Wolf, durch dichtes Geäst,
bis der Wald sich lichtete und der Weg ihn verließ.
Im Mondschein glitzerte der Pfad, so rein.
Luzias wusste nun, er war am Ziel, doch nicht allein.
Der Wolf neigte den Kopf, ein Abschied so still,
und verschwand im Schatten, wo die Nacht verharrte.
Luzias blieb stehen, sein Herz voller Ruh.
Doch ein Ruf schien zu flüstern: „Komm, nur zu.“
Mit zögerndem Schritt trat er weiter hinein,
wo Dunkel und Flüstern vereint mochten sein.
Der Wald atmete tief, geheimnisvoll,
und Luzias folgte, dem Ruf war er voll.
Ein Wispern im Wind, ein Schatten, der weht,
die Bäume erzählten, wohin es nun geht.
Zögernd noch Schritte, doch stärker der Drang,
im Herzen des Waldes begann ein Gesang.
Im Erdmittelalter, warm und weit,
lag ein Meer in tropischer Heiterkeit.
Sanfte Wellen küssten den Sand,
formten die Erde, das lebensreiche Land.
Bunte Gesteine, ein farbenfrohes Spiel,
Sandstein, Schiefer, Kalkstein – ein uraltes Ziel.
Korallen und Muscheln, das Leben blühte,
in stillen Fossilien, die Zeit verglühte.
In sumpfigen Küsten, wo das Leben gedieh,
barg die Erde Geheimnisse, tief wie das Meer.
Die Zwerge erzählten von Glück und von Leid,
von Schätzen der Erde, von alter Zeit.
Ein Spaziergang der Zwerge über die Klippen, so klar,
suchten leise Spuren, die Erinnerung war.
Mit Hämmern und Meißeln, flink und geschickt,
gruben sie tief, wo das Leben einst blickt.
Dann kam die Zeit der Berge, stark und groß,
Erosion hob das Meer, schuf Landschaften bloß.
Ein Gebirge erhob sich, majestätisch und prächtig,
Mineralien glitzern, Geschichten mächtig.
Zinnober und Fluorit, sie singen von Tagen,
von warmen Meeren und alten Fragen.
In den Gesteinen steckt die Zeit,
eine leise Erinnerung an Vergangenheitsleid.
Doch aus diesen Tiefen, ein Drache erschien,
Besitz ergriff er, als wäre es sein Sinn.
In seiner Höhle, hoch oben, so kühn,
seine Augen brannten, ein rotes Glühn.
Die Zwerge, einst stolz, flohen geschwind,
vor seiner Macht, vor dem Ungeheuer geschwind.
Doch oft wird das Böse nur einseitig gesehen,
die Schatten der Wahrheit, sie bleiben bestehen.
Regiert mit Angst und zugleich mit Stil,
ein Charisma, das selbst die Mutigsten fiel.
Nicht nur Schätze, auch Respekt forderte er,
in dieser Geschichte, so tief und so schwer.
Die Zwerge kehrten zurück, mit Mut und Geschick,
fanden die Stärke, die in ihnen war, Stück für Stück.
Sie planten und träumten, im Schatten der Höhle,
die Macht des Drachen, sie schien wie eine Säule.
So schufen sie Bündnisse, mit List und mit Kraft,
erweckten den Mut, der in jedem schlief,
im Kampf um das Land, das einst Meer gewesen,
entstand eine Legende, die niemals verwesen.
Spiegel des Lebens in Macht und Eleganz,
Vergangenheit webt in einem ewigen Tanz.
Der Berg, der alles sieht, als Zeuge der Zeit,
bleibt stumm und bewahrt, was nie ganz verweilt.
Hexen wandeln in des Waldes Dunkelheit,
mit Kräutern und Sprüchen, stets bereit.
Flüstern im Schatten, hinter Gesträuch,
rufen den Teufel, wecken den Streich.
Gefährlich ihr Spiel, mit Zauber und List,
bis ein Jäger sie findet, der sie dann küsst.
Verfolgt vom Aberglauben und Hass,
fliehen sie durch das hohe Gras.
Im Dunkeln schlägt der Hammer hart,
das Urteil fällt – ein finstrer Start.
Das Reden verstummt, der Grund missfällt,
die Wahrheit vergraben, das Schweigen gefällt.
Doch wenn der Mond am Himmel steht,
und sanft der Wald im Winde weht,
erwacht die Nacht in dunkler Pracht,
sie tanzt, sie rächt, bringt Unheil zur Nacht.
Doch weiße Magie, so klar und so rein,
vertreibt das Dunkel, bringt Licht wieder ein.
Sie schenkt neues Sein, aus Schatten wird Schein,
erfüllt wird die Welt – in Mond- und Sonnenschein.
Wenn der Morgen den Wald sanft erhellt,
und Licht durch die Bäume die Schatten zerschellt,
flieht die Dunkelheit, der Tag zieht herauf,
von Heldentaten nimmt er seinen Lauf.
Sie sprechen von Wundern, von Mut und von Glück,
von Zeiten, da kehrte das Gute zurück.
Mit Zuversicht im Herzen, stark und klar,
sie kommen geflogen, vereint in Schar.
Vertreiben das Dunkel, jetzt und fürwahr,
das Unheil wird nun offenbar.
Der Mut, er erwacht, in jedem Gesicht,
Freiheit und Friede, das ist ihre Macht.
Den Wald in Magie und Licht gehüllt,
mit Kräften des Guten die Leere erfüllt.
In dieser Welt, wo das Gute regiert,
wird das Böse verbannt, vom Licht isoliert.
Umringt vom strahlenden Glanz,
tanzen sie freudig im feurigen Tanz.
Tief im Dickicht des Waldes, so still,
wo der Wind flüstert, magisch und wild,
schleichen Wesen im Mondenschein,
mit Augen, die alles begreifen, fein.
In der Dunkelheit finden sie ihren Trost,
ein Ruf durch den Wald, vom Wind gehost.
Neben ihnen, im Schatten so dicht,
gleiten sie lautlos im silbernen Licht.
Ihre Augen glänzen wie Sterne so hell,
mit Federn und Fell, zart und schnell.
Sie sind Hüter der Nacht, voll Magie,
geschmeidig, stolz – ein lautloser Hieb.
Sie kennen die Wege, geheim und still,
wo Fabelwesen träumen im Waldeswill.
Im Einklang mit Bäumen und moosigem Gestein,
sind sie Wächter des Waldes, im silbernen Schein.
Doch nicht nur die Schatten des Waldes weilen,
Magier und Zauberer flüstern und teilen.
Bücher, so alt, mit Geheimnissen voll,
von Zaubern, die machen den dunklen Wald toll.
Ihre Hände gezeichnet von Runen und Macht,
Blicke so tief, wie die endlose Nacht.
Sie sprechen von Flüchen, die Finsternis rufen,
und Segnungen, die das Licht verfluchen.
Im Zwielicht des Waldes, so sanft und weit,
fließt schwarze und weiße Magie in der Zeit.
Dunkle Künste, die im Schatten verweilen,
und helle Zauber, die Dunkelheit heilen.
Schwarze Magie, mit Flüchen belegt,
ruft Schatten herbei, die der Nacht bewegt.
Wie ein treuer Gefährte folgte ich dem verborgenen Pfad durch den Wald bei Hirschstrom, der mich in dieser dunklen Jahreszeit alljährlich zu Pate Fuchs führte. Sein Haus liegt tief verborgen in einem Mammutbaum, zwischen verwachsenen Wurzeln und Felsen, die wie aufgetürmte Steine wirken. Er wohnt an einem Ort, an dem sich Igel und Hase gute Nacht sagen. Sein Weg zu ihm ist etwas rätselhaft, aber am Tag ist sein Haus leicht zu finden: Es steht direkt beim 666-Baum des 13. Waldwegs. Doch es war Nacht, und ich hatte mich verzählt. Seine Karte war größer als der Wald und vollgespickt mit Zetteln, sodass ich mich verzettelt hatte. Pate Fuchs sagte mir einmal mit einem schelmischen Blick: „Folgt dem Weg, wo die Glühwürmchen den Pfad erhellen, die Hirsche röhren und grunzende Wildschweine nach Futter suchen.
Wahrlich, wer nachts durch Pate Fuchs’ Wald wandert, scheint mutig und abenteuerlustig zu sein. Geheimnisvoll hatte sich die Nacht über den Märchenwald gelegt. Die Turmuhr läutete Mitternacht ein. Ein Waldkauz rief, und im Hintergrund zirpten Grillen. Hinter den dichten Tannen zeigte sich zeitweise der Vollmond. Er schimmerte in den buntesten Farben. Plötzlich erklang eine Spieluhr und ich hörte jemanden summen. Kinderlachen hallte durch den dunklen Wald. So spät sind sie noch wach, dachte ich. Aber es waren Kobolde, die Verstecken spielten. Sie beobachteten mich, vielleicht weil sie dachten, ich würde sie verraten. Doch ich setzte meinen Weg weiter fort. Äste knarzten im Wind und es war, als schauten mich die Bäume mit grünen Augen an. Doch es waren schwarze Katzen, die auf den Ästen saßen. Die Lichtung zu Pate Fuchs war nicht mehr weit.
Wer ist eigentlich Pate Fuchs? Pate Fuchs, manchmal auch Gevatter Fuchs genannt, ist ein charmanter und schlauer Geselle. Aber nicht nur seine Schlauheit soll ihn auszeichnen, er strahlt auch eine Autorität aus, die sich aus seiner natürlichen Gewandtheit ergibt und in vielen alten Geschichten beschrieben wird. In ihm soll ein Wesen eines „Paten“ mitschwingen, einer einflussreichen und geheimnisvollen Gestalt, die mit Weisheit, aber auch mit List handelt.
Welche Mythen sich um den Fuchs auch ranken mögen, ich mag Füchse. Früher war der Fuchs ein regelmäßiger Anblick im Zoo. Als ich ein Bube war und noch nicht wusste, was groß und klein ist, hielt ich den Fuchs für einen Wolfswelpen. Manche Leute lachten darüber und erzählten mir von den Legenden über Füchse, die sie mit dem Teufel in Verbindung brachten. Aber ich blieb dem Fuchs treu. Als die Leute mich mit dem Fuchs verglichen, wurde er fuchsteufelswild.
Der Fuchs sprach: „Mein Sohn, was sollt Ihr von diesen Leuten halten, die mit Kindern reden, als hätten sie selbst das Sprechen verlernt? Weil Ihr aber an mich glaubt und mich nicht mit Gestalten vergleicht, die mir aufgezwungen werden, werde ich Euch ein Zauberfuchs sein. Ich werde Euch so erscheinen, wie Ihr es wünscht - mal als Fuchs, mal als Wolf, mal als Luchs - und so wurde der Fuchs mein Pate und später auch mein Mentor.
Eines Tages stand der Wald rund um den Zoo in Flammen. Die Tiere wurden freigelassen. Aber Pate Fuchs und viele andere Tiere, die ihren Zoo und den Wald liebten, halfen den Menschen, die Flammen zu löschen. Gemeinsam fanden sie Wege, das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Das schnelle Eingreifen verhinderte, dass das Feuer den ganzen Wald vernichtete. Nun standen sich Mensch und Tier gegenüber, aber anstatt die Tiere zu fangen, hatten sie die Wahl zwischen einem Leben im Wald oder im Zoo.
Nicht alle Tiere, die im Zoo geboren wurden, entschieden sich für den Wald. Der Zoo wurde neu gestaltet und auch die Tiere halfen mit. Pate Fuchs, der auch im Zoo geboren wurde, hat sich für den Wald entschieden. Natürlich besucht er weiterhin seine Freude im Zoo, aber nicht wie die Menschen, sondern er weiß, wie er sie persönlich besuchen kann. Pate Fuchs der sich im Wald niedergelassen hat, hat mich oft bei meinen Spaziergängen im Wald begleitet. Wir sind gemeinsam im Wald und um die Häuser gelaufen, haben Ausdauerlauf, Hochsprung und Weitsprung geübt. Pate Fuchs war ein richtiger Trainer, er trug ein Stirnband, Trainer-Klamotten und eine Trillerpfeife um den Hals.
Und so verbindet uns die Freundschaft bis heute. Natürlich rennen wir keine Parcours mehr, aber die Besuche und die Verbundenheit, sie bleiben. Wenn ich ihn besuche, erzählt er mir magische Geschichten, die ich aufschreiben möchte, aber bisher habe ich es nicht geschafft – ein Rätsel, das bleibt.
Nun, kennst du Pate Fuchs genauer. Aber wenn du jetzt denkst, dass diese Geschichte mit voller Weisheit, Fabeln und Moral weitergeht, dann magst du vielleicht auch keine Abenteuer, die mit Wendungen verbunden sind?
Jetzt habe ich so viel laut vor mich hingeredet … Moment mal, ich dachte, schlimmer könnte es nicht mehr kommen, aber es geht wohl doch noch schlimmer. Ich scheine Unbekannte im Wald aufgeweckt zu haben. Ein Mann ging durch den Wald, vermutlich allein. Er sah mich und kam auf mich zu. Er hatte graues Haar, Rasterlocken und einen Irokesenschnitt, aber er wirkte jung, vielleicht 25 Jahre alt. Er begrüßte mich nicht, sondern sprach mich direkt an. Das ist in Hirschstrom normal. Man kommt zur Sache und auf den Punkt. Warum sich mit belanglosen Worten aufhalten?
„Ja, die Kinder …“, sagte der Mann leise. „Mhhhmm …“ Es klang wie eine Art langsames „Ja, ja“ als Bestätigung. Seine Augen vergrößerten sich beim Sprechen. Gut, es war ja auch dunkel. Ich fragte ihn: „Was ist mit den Kindern?“
Er kam näher. Wirklich freundlich wirkte er nicht, aber er hatte einen hypnotischen Blick, dem ich mich nicht entziehen konnte. Seine Augen glühten feuerrot.
„Und alle so komisch“, fügte er mit finsterer Miene und drohendem Finger hinzu.
„Ja, nein … Was meint Ihr mit alle? Meint Ihr die Kinder oder die Kobolde? Was ist denn mit ihnen?“, fragte ich irritiert.
Ich zitterte. Ich wusste nicht, wovor ich mehr Angst haben sollte – vor der Geschichte oder vor dem Mann. Es grauste mich. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken und ich bekam eine Gänsehaut.
„Mhhhmmm“, sagte der Mann wieder. „Ist es nicht seltsam?“, sprach er verträumt und verschwand in der Dunkelheit. „Danke für das angenehme Gespräch“, rief ich hinterher. Ein wirklich wertvolles Gespräch, dachte ich, denn jetzt bin ich so viel schlauer als vorher. Kommunikation ist eben in der heutigen Zeit unbedingt wichtig, auch wenn sie ohne Inhalt bleibt.
Bis auf das, dass er wortlos im Dunkeln verschwand, war alles andere ziemlich merkwürdig. „Ja, komisch“, dachte ich nachdenklich und sagte es teilnahmslos. Der Weg, auf dem ich mich befand, war dunkel. Die Glühwürmchen funkelten nur schwach. Gleichzeitig trat ich auf einen Ast, der lautstark brach.
Etwas zischte an meinen Beinen vorbei. Aber ich wusste nicht, was es war. Es fühlte sich behaart an und hatte Kraft. Aber was war es, fragte ich mich? Ein Bär konnte es nicht gewesen sein – die gibt es hier nicht. Ein Wildschwein vielleicht? Dafür war es zu schmächtig, dennoch kräftig. Eine Katze wäre zu leicht und klein gewesen, und für eine Schlange war es zu groß. Außerdem war es viel schneller, als ich Schlangen jemals schlängeln sah.
Während ich weiterging und nachdachte, kam es wieder – das Wesen. Ich erschrak und rutschte einen Abhang hinunter. Ich hörte noch die Blätter, die mit mir den Hang hinabstürzten. Ich spürte die Steine und den Schlamm an meinen Händen. Während ich hinunterrutschte, bemerkte ich ein wildes Flattern über und um mich herum. Ich weiß nicht – es könnten Vögel oder auch Fledermäuse gewesen sein. Aber Fledermäuse wären zu leise gewesen. Stimmen erklangen, als würde jemand „Hallo“ oder „Mama“ rufen. Es könnten Männer oder Kinder gewesen sein. Vielleicht waren es mehrere Stimmen.
Zum Glück war die Rutschfahrt nicht lang, und ich landete sanft auf dem Waldboden. Es war ruhig. Ein wildes Flussrauschen wurde lauter. Der Weg war in einem sanften Licht erhellt – wie von Kerzen, aber es waren Glühwürmchen. Hirsche brunften und Wildschweine grunzten. Nun wusste ich, dass das Haus von Pate Fuchs nicht mehr weit sein konnte. Ich stand wieder auf. Meine Sachen waren verschmutzt. Sie sahen so aus, dass niemand hätte erkennen können, ob ich Jäger, Förster oder Soldat bin.
Mit einem Mal wurde alles wieder ruhig. Und erneut raschelte etwas zwischen den Büschen – es war ziemlich flink. Außer einem Koboldkichern konnte ich nichts sehen oder hören. Wieder war alles ruhig. Eine Ringeltaube und eine Amsel saßen auf einem Baum und begannen zu rufen, als würden sie sich unterhalten.
Und plötzlich stand ich vor dem Haus von Pate Fuchs. Teufelsweg Nummer 6, hier wohnte er. Ein warmes Licht schimmerte durch das kleine, einladende Fenster des Mammutbaums. An seinem Haus hing die Hausnummer 6 oder 9 – sie war locker. Drehte ich die Nummer um, war es die 6; fiel sie wieder herunter, wurde daraus die 9. Vielleicht hätte er sie einfach in ein Fragezeichen ändern sollen. Möglicherweise hätte auch ein Nagel geholfen, sie zu befestigen. Kaum war mein Gedanke zu Ende gedacht, hallte ein Kichern von Hexen durch den Wald.
Ich nahm den Türklopfer, der einen Gargoyle zierte und an Pate Fuchs' Eichentür befestigt war. Mit einem lauten Knarren öffnete sich die Tür und gab den Blick auf den behaglichen Raum frei. „Guten Abend, Pate Fuchs“, sprach ich, trat ein und ließ mich von der Wärme des Raumes umhüllen.
„Guten Abend, Luzias, wart Ihr im Wald?“ Er kicherte verschmitzt. Er legte gerade eine neue Scheibe auf das Symphonium. Es ist ein mechanisches Spielgerät, das wie ein Plattenspieler mit einer rotierenden Metallscheibe Töne erzeugt und wie eine Spieluhr klingt. Pate Fuchs ist in manchen Dingen, wie in elektronischen, etwas konservativ, obwohl er moderne Technik nicht verachtet.
Ja, dachte ich mir, das ist typisch Pate Fuchs. „Und wie seht Ihr schon wieder aus?“, fragte er.
Er nahm seine Pfote. Fürsorglich wie eine Mutter, aber so kraftvoll wie ein Vater, strich er damit über meine Kleidung. Der Schlamm war noch feucht, doch der Schmutz von den Sachen verschwand. Sein wedelnder Schweif berührte meine Wunden, die ich mir beim Herunterrutschen des Abhangs zugezogen hatte. Die Wunden schlossen sich wie durch Magie – nichts mehr zu sehen, und auch Schmerzen waren keine mehr da. „So, alles wieder sauber und Ihr seid heil“, sagte Pate Fuchs.
Er setzte sich wieder in seinen Schaukelstuhl, sein buschiger Schwanz ruhte lässig um seine Füße, die rhythmisch den Boden berührten, um die sanften Schaukelbewegungen zu unterstützen, während die Holzdielen unter seinem Schaukeln knarzten. „Ah, willkommen, Luzias, mein Freund“, sagte er mit rauchiger, ruhiger Stimme. „Nehmt doch Platz und macht es euch bequem.“
Mit einem Gefühl der Erwartung setzte ich mich in den Schaukelstuhl, der mir wie für mich reserviert erschien.
„Danke, Pate Fuchs“, sagte ich und lehnte mich zurück. Pate Fuchs nickte mir zu und reichte mir einen dampfenden Becher.
„Ein guter Kräutertrank für die kalten Nächte“, sagte er und nahm selbst einen Schluck. Der Tee duftete nach Wildkräutern und Harz, und die Wärme des Bechers schien die Winterkälte aus meinen Händen zu vertreiben. Das Kaminfeuer knisterte, warf tanzende Schatten an die Wände und erfüllte den Raum mit weichem Licht. Ich hielt meine Hände über die Flammen.
"Pate Fuchs", sagte ich, "ich glaube, das Feuer ist heiß genug. Pate Fuchs lächelte: „Heiß genug, sagt Ihr?“ Er warf einen Blick in die Flammen, die bei seinen Worten noch lebhafter zu flackern schienen. ,,Gewiss, mein Freund, es ist heiß wie in der Hölle – fabelhaft."
In einem Moment der Entspannung genossen wir einige Schlucke Tee, wobei ich mich vom Trunk leicht benebelt fühlte. Ich sagte zu Pate Fuchs: „Der Tee ist...“, während ich begann, einzudösen. Pate Fuchs antwortete sanft und beruhigend: „Jaah, der Tee ist stark. Es sind nur die edelsten Kräuter enthalten, von der Kräuterfrau Walda empfohlen... Luzias, Ihr wirkt etwas müde, aber Ihr hattet auch einen langen Weg.“
Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich eine Frage stellte und Pate Fuchs etwas erzählte. „Also, Pate Fuchs, was habt Ihr heute für eine Geschichte für mich?“, fragte ich. Pate Fuchs schloss kurz die Augen, als lausche er einem fernen Windhauch. Dann begann er leise und nachdenklich zu sprechen: „Heute, mein Freund, will ich Euch eine alte Geschichte erzählen, die in den Felsen ruht und in der Tiefe der Erde schläft. Es ist eine Geschichte von Kräften, die so alt sind wie die Zeit selbst, und von Wesen, die sich dem Willen der Erde verschrieben haben.“ Es wurde still im Hintergrund. Ich begann zu schlummern und Pate Fuchs erzählte seine Geschichte. Er sprach zu mir wie in Trance.
In einer abgelegenen Schlucht, die von dichtem Nebel umhüllt war, wachte der Drache über die Schätze des Landes. Es heißt, er habe einst versucht, eine Mauer zu errichten, um die Zwerge von den kostbarsten Minen fernzuhalten, doch das Werk misslang. Wütend verließ der Drache das Bauwerk und zog sich in seine Höhle zurück, aber der Ort blieb verflucht. Niemand wagte es, die Mauer zu betreten, und der Drache blieb der unangefochtene Herrscher des Gebirges.
In den Vollmondnächten, wenn der Mond sein kühles Licht über die Berge goss, stiegen Flammen aus den Tiefen des Berges empor. Hexen, so wird erzählt, tanzten auf den höchsten Gipfeln mit dem Teufel, während die Zwerge sich in ihre Höhlen zurückzogen und den Tanz der Feuerzungen beobachteten. Der Drache jedoch schien unsterblich, seine Macht ungebrochen. Doch bald kam der Tag, an dem sich das Schicksal des Gebirges änderte. Eine mutige Prinzessin ritt auf ihrem treuen Ross durch das verwunschene Land. Der Drache, begleitet von einem teuflischen Riesen, flog ihr nach. Aber die Prinzessin, mutig und klug, entkam ihm mit einem beherzten Sprung über die tiefe Schlucht.
Ein Jäger, der das Land liebte und von der Not der Zwerge gehört hatte, nahm schließlich den Kampf gegen den Drachen auf. Doch der Drache war zu mächtig, um allein bezwungen zu werden. Eine Hexe, die den Tanz des Teufels miterlebt hatte, bot ihm ihre Hilfe an. Mit List und Tücke lockten sie den Drachen in eine Falle. Sie stahlen den Schatz, den er seit Urzeiten bewachte, doch dieser war verflucht. Die letzten überlebenden Zwerge, von dem Drachen unterjocht, hatten den Schatz verflucht, bevor sie starben. So warfen der Jäger und die Hexe den verfluchten Schatz in die Schlucht, um das Land von seinem Bann zu befreien.
Schließlich, in einem letzten erbitterten Kampf, stellte sich der Jäger dem Drachen. Er spannte seinen Bogen und zielte auf das Herz der Kreatur. Mit einem einzigen Pfeil traf er den Drachen. Der Drache stürzte brüllend in die Tiefe und verschwand in den Fluten eines wilden Flusses, der durch die Schlucht rauschte. Seitdem ruht der Drache in den Tiefen des Flusses, und niemand wagt es, sich den Gewässern zu nähern. Die Geschichten von seinem Fluch und dem verfluchten Schatz leben weiter in den Legenden des Gebirges. In den dunklen Nächten, wenn der Wind durch die Bäume heult und der Mond hinter den Wolken hervorschaut, erzählt man sich, dass der Drache noch immer über den Schatz wacht, tief unter der Erde, wo das Wasser nie zur Ruhe kommt. So bleibt die Geschichte des Drachen und der Zwerge lebendig, während die Geheimnisse des Berges in den Schatten weiterleben.
„Eure Zeit ist gekommen“, rief Pate Fuchs. Ich wachte auf, wobei ich mir das Erwachen sanfter vorstellte.
„Dies, mein Sohn“, sagte er mit tiefem, leisem Ton, „ist die Geschichte, die Euch erkennen lässt, in welchem Land und in welcher Welt Ihr lebt. Gevatter Bär weiß sicher noch einige Geschichten über den Hirschstrom zu erzählen. Es ist spät, ich werde mich in mein Gemach zurückziehen. Heute könnt Ihr bei mir auf dem Heuboden schlafen, ganz wie es Euren Wünschen entspricht."
Und so gingen Pate Fuchs und ich schlafen. Wie ich auf den Heuboden kam, weiß nur der Geier. Am nächsten Morgen schaute ich aus dem Fenster. Der Himmel leuchtete feuerrot, als stünde er in Flammen, aber die Wolken verdunkelten sich wie Asche und zogen davon. Ein neuer, sonniger Tag brach an. Krähen saßen auf einem Baum und unterhielten sich, während am Himmel ein Bussard nach Beute Ausschau hielt.
Das Kaminfeuer war bereits erloschen, als ich die Wohnstube von Pate Fuchs betrat. Doch der Schaukelstuhl wippte auf und ab, aber der Platz, auf dem Pate Fuchs am Abend zuvor noch saß, war leer. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, ich schüttelte mich kurz, die Haare an meinen Armen standen wie Stacheln aufrecht. Auf dem Birkenholztisch lag ein Zettel. Es war ein Plan, wie ich zu Gevatter Bär kam, mit der Bemerkung: „Habt Euch wohl, wir sehen uns wieder“.
Im Schattendunkel uralter Baumkronen, wo Moos wie Samt den Boden bewacht, erwacht ein gewaltiges Wesen, bald donnernd im Takt seiner Macht. Seine Tatzen versenken sich tief in die Erde, die atmet und knistert vor Kraft – ein Richter der Wildnis, der Ursprung der Kräfte, im Herzen unendlich erschafft.
Mit jedem gewaltigen Schritt pulsiert unter Pfoten die Erdkruste, bebend im Kreis, als wollte sie Ketten aus Blitzen und Wurzeln schmieden, gewoben aus uraltem Eis. Der Bär, Sinnbild der Urkraft, urtümlich, rein und im Wandel doch ewig besteh’n, ist Herzschlag des Forsts, von niemand gebrochen, von Winden und Zeiten geseh’n.
Er watet durch silbrige Wasser, so kühl wie der Atem der Nacht, trinkt aus Quellen, die sprudeln und flüstern von Welten, im Geheimnis erwacht. Der Strom, der das Leben gebiert und die Täler zu Hügeln verzurrt, bewahrt in den Tiefen Gedanken des Bären, von Strömungen sanft umschwirrt.
Über ihm atmet der Himmel in Weite, ein Segel aus Licht und aus Luft, ein Flüstern, das Blätter umtanzt und sich leicht in das Fell des Giganten ruft. Mit jedem gewaltigen Atemzug saugt er die Freiheit in mächtigen Leib, während der Wind ihm Geschichten erzählt, von Zugvögeln, Sternen und Treib. Sein Schnaufen wird Teil einer Melodie aus Gelassenheit, stetig und klar, ein Echo des Kreislaufs des Lebens, das ward und das ist und das war.
Wenn das Feuer des Abends am Westhorizont granatrot die Wipfel bemalt, glüht auch der Bär in dem Gold, das die Schatten verschluckt und die Seele umstrahlt. Ein Funkenschauer im Blick, doch sein Herz bleibt rein wie der Morgen davor; der brennende Wille, der lodert in ihm, ist das Lied einer flammenden Spur.
Er webt das Sichtbare fest an das Unsichtbare, hütet des Waldes Geheime, die Wurzelsprache, das Wispern der Steine, die Träume der Pilze im Keime. Magie einer Erde, die warm durch sein Innres pulsiert, verbindet ihn, macht ihn zum Knoten der Elemente, wo Anfang und Ende sich zieh’n.
Seine Tatze, so mächtig wie Schicksal, formt Schluchten, wenn Not es befiehlt, doch ruhend erkennt er, dass Sieg in der Standhaftigkeit – nicht in Hast – sich enthüllt. Geduldig belauscht er das Rauschen der Zeit, bis die Stunde des Handelns erwacht, dann bäumt sich die Kraft der vier Elemente und ringt selbst die Dunkelheit sacht.
So lehrt uns der Bär durch die Zeiten die Weisheit der wachsenden Ruh’, dass in jedem von uns ein Funke der Wildnis schläft – und mit Stolz brüllt sein „Du“.
Als ich das Haus von Pate Fuchs verließ, nahm ich seinen Zettel, der eine Karte mit Worten ähnelte:
Hinter der Tanne, links ein Stück,
hinter dem Stein, rechts ein Stück.
An der Eiche entlang, das ist der Weg zurück,
bei der Buche werdet Ihr suchen, ein guter Blick.
Dann findet Ihr die Lichtung, von Gevatter Bär,
und weiter hinein, wo die Schatten sich näh’n,
liegt seine Höhle im Felsen, dunkel und kühl.
Ich muss zugeben, in solchen Dingen ist Pate Fuchs ein kleiner Hofnarr, denn ich stand mitten im Dickicht und sah den Wald vor lauter Bäumen nicht. Inzwischen war es wieder Abend geworden und die Dämmerung brach herein. Und da sah ich ihn plötzlich: Gevatter Bär.
„Hee, wer ist da?“ fragte Gevatter Bär.
„Guten Abend, ich bin Luzias und komme von Pate Fuchs.“
„Ach, Luzias, Ihr seid es“, erwiderte er. „Ohne Brille sehe ich nur Honig und Fisch“, brummte er, was so viel hieß wie köstlich. „Ja, er hat mir gesagt, dass Ihr kommen würdet.“
Mit einem schelmischen Lächeln fragte er: „Na, habt Ihr denn gut geschlafen?“ Ich antwortete: „Danke, wie ein friedlich schlummernder Bär… Euer Freund, der Pate Fuchs, sandte mich zu Euch.“
„Freund… Wir gehen zusammen fischen, aber er stiehlt mir immer die Fische und tischt sie bei sich auf. Das finde ich nicht nett von ihm.“ Ein brummendes Seufzen war von Gevatter Bär zu hören.
„Jetzt bindet Ihr mir aber einen Bären auf. Pate Fuchs spricht nur Gutes über Euch“, sagte ich. „Teilt Ihr die Fische denn untereinander nicht auf?“ fragte ich.
„Nein“, brummte Gevatter. Er richtete sich auf und sprach: „Ich bin groß und stark, aber Pate Fuchs ist klein und gemein.“
Ich wich einen Schritt zur Seite, denn ich sah seine scharfen Zähne und Tatzen. So faszinierend ich die Bären auch finde und von vielen Geschichten kenne – ja, wir teilen von der Geschichte ähnliche Gemeinsamkeiten wie Gefangenschaft und Zirkusattraktion, in die Wildnis wieder freigelassen, auf sich allein gestellt und von den Menschen verjagt – bin ich mir im Klaren, dass der Bär kein Teddybär ist.
Gevatter Bär brummte: „Ich mag Pate Fuchs nicht, aber andererseits ist er ein Geselle, weil wir ein Ziel haben, wenngleich der Eigennutz dabei eine Rolle spielt. Er lockt die Fische an, und sie fliegen mir direkt ins Maul, mmh.“
Ich lächelte verschmitzt und sagte: „Ihr erinnert mich ein wenig an Meister Petz, der lernt, aber nichts dazulernt.“ Gleichwohl wusste ich, dass mich Gevatters Pranken verletzen könnten, wenn ich ihn reizen würde. Doch er lachte nur spöttisch. Und so suchte ich seine Gunst, denn ich wollte keineswegs einen Streit anfangen. Ich war zu ihm gekommen, weil ich etwas von ihm wollte, also sprach ich: „Gevatter Bär, Ihr seid aber auch gewitzt und weise. Nur darum komme ich zu Euch.“
"Pate Fuchs erzählte mir, Ihr wisst mehr über Hirschstrom. Bitte erzählt mir etwas darüber", sagte ich.
"Ach, diese alten Kamellen", sagte Gevatter brummend und ging in seine Höhle.
"Kamellen?" fragte ich. "Nein, Sardellen habe ich", sagte ich.
"Mmh, Fisch", antwortete Gevatter Bär. "Das ist etwas anderes. Nun, dann kommt mit mir."
Zusammen gingen wir in seine wohlig warme Höhlenstube. Ein paar Bärenkinder schliefen im Hintergrund. Außer dem Knistern des Feuers hörte ich nur noch das Schnarchen der Bärenkinder. Wir setzten uns an das Feuer, während hinter Gevatter Bär von der Decke Wasser tropfte und sich dabei auf dem Boden kleine, stehende Gestalten bildeten, die wie Wichtel aussahen.
Ich warf Gevatter Bär ein paar Sardellen zu, die er geschickt fing und verspeiste. Mit einem Schmatzen fragte er mich: „Wohlan, was wünscht Ihr, Luzias?“
Ich fragte ihn: „Was hat es mit Hirschstrom auf sich, worüber die Leute im Dorf mal dies und mal jenes erzählen?“
Gevatter Bär begann zu erzählen:
„Wo neckisches Gelächter hallt, Hexen mit dem Teufel tanzen und das Holz in den Lehmhäusern knarzt, brachen Wanderer von Rang auf, um die Geheimnisse dieses Gebietes zu ergründen und darüber zu dichten. Doch nur wenige kehrten je zurück.“
„Was hatten die Wanderer gefunden? Gab es wirklich das verborgene Wissen alter Hexen und mächtiger Teufel?“ fragte ich.
Gevatter Bär antwortete: „Oh, mein Freund, das sind verdrehte Geschichten, die niemand wirklich kennt. Einige berichten, die Wandernden hätten die tiefsten Höhlen betreten und dort mächtige Berggeister getroffen, die sie zu Eis erstarren ließen. Wenn die Geister gnädig waren, brauten sie geheimnisvolle Kräutertränke, deren Zauber untrennbar mit ihnen und ihren Erzählungen verbunden blieb. Andere munkelten von uralten Ritualen und Zauberformeln, die in alten Tempeln verborgen lagen, während einige vom Fluch des Hexenhammers sprachen – einer finsteren Magie, die die Welt der Lebenden und der Toten durchdringt. Man sagt, in den nebelverhangenen Gipfeln und den tiefen, verworrenen Wäldern lauerten Kreaturen, die sich dem menschlichen Verständnis entziehen.“
Frühling herbei, die Ketten brechen,
dunkle Mächte sollen schwächeln,
Freiheit ruft, die Stimmen klingen,
Hämmer zerschlagen, um Freiheit zu bringen.
In dunkler Nacht, wenn Schatten weben,
beginnt das wilde Hexenleben.
Auf Böcken, Besen, Schlangenstangen
fliegen sie los mit schelmischem Prangen.
Neckisches Kichern erklingt, lautes Lachen hallen,
wie Geister in Stürmen durch Täler sie fallen.
Durch Wälder und Felder in Dunkelheit wallen,
die Schatten verwehen, im Dämmern verhallen.
Glüh’n in der Nacht, vom Brauch durchdrungen,
tanzen sie wild, von Zeiten umsungen.
Der Teufel tanzt im dichten Nebel,
sein schelmisches Grinsen wirkt so edel.
Mit Hexen, die ihn freudig umringen,
in der mystischen Nacht, wo die Magie erklingt.
„Fürwahr“, sagte ich, „ich habe in den Dörfern groteske Fratzen und teuflische Tierköpfe gesehen, die Fassaden und Tore zieren.“ Gevatter Bär nickte. „Es sind stumme Wächter, geschnitzt und gemeißelt, um das Böse fernzuhalten. Verzerrt und unheimlich starren die Masken ins Leere, ihre stummen Schreie sollen die Geister der Nacht von den Häusern fernhalten. Aber sie warnen auch: In diesem Land, wo die Dunkelheit tiefer ist als anderswo, könnt Ihr nie sicher sein, ob das Böse nicht schon unter Euch weilt. Die Kreaturen dieser Berge sind mehr als nur Märchen – sie können jederzeit aus dem Schatten treten. Auf einsamen Pfaden, versteckt hinter verwachsenen Bäumen mit verschlungenen Wurzelballen, tauchen plötzlich Fratzen auf, kleine und monströse Wesen, Kobolde, Riesen, Wald- und Berggeister, Wölfe – halb Tier, halb Dämonen, deren Blicke einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Die Wälder selbst wirken lebendig, dicht und bedrohlich, als hätten sie längst vergessen, was Licht ist. Der Nebel, der von den Bergen herabzieht, trägt die Schreie der Verlorenen, und in den Tälern lauern tödliche Gestalten.“
„Sagt mir, Gevatter Bär, Was ist das für ein Gelächter, was sind das für Schatten am Himmel, von denen so oft die Rede ist?"
Gevatter Bär sprach:
„In dunklen Gebirgsnächten erwachen Hexen und Teufel. Mit glühenden Augen gleiten sie auf ihren Besen durch die stürmischen Winde. Durch die Wälder und über die Berggipfel hallt ihr neckisches Kichern und Gelächter. In wilder Ekstase tanzen sie auf den höchsten Bergen, wo der Nebel die Grenze zur Hölle zu durchbrechen scheint. Der Teufel selbst erscheint unter ihnen, mal als Ziegenbock, mal als schwarzer Schatten, während die Hexen ihn umkreisen und ihre dürren Finger nach den Seelen der Neugierigen ausstrecken. Sie versammeln sich nicht nur zum Tanz, sondern auch, um finstere Pläne zu schmieden. Im Verborgenen brauen sie Zaubertränke und beschwören die Namen der Verfluchten. Ihr Tanz verstärkt die Dunkelheit und verwischt die Grenzen zwischen Leben und Hölle. Mit kicherndem Flüstern verführen die Hexen die Verirrten, und wer ihnen folgt, kehrt nie mehr zurück. Wandernde, die sich in die nebelverhangenen Wälder wagen, werden von diesen gespenstischen Gestalten umgeben, während hinter ihnen der Teufel lauert. So tanzen sie, wenn der Wind heult und der Mond fahl über den Gipfeln steht, ihre schaurigen Lieder mischen sich mit dem Knarzen der Bäume. In dieser unheimlichen Nacht, fernab aller Menschen, feiern sie ihren endlosen, höllischen Reigen.“
,,Es ist ein mystischer Ort, an dem die Grenzen zwischen der realen Welt und dem Übernatürlichen verschwimmen. Ein Ort, wo die Welt der Lebenden und die der Toten ineinander übergeht, wo Geister und Dämonen die Natur beherrschen, deren Launen von trügerischer Ruhe bis zu zerstörerischer Wut reichen. Eine Warnung an alle, die sich verirren und wagen, ohne Demut durch diese vergessenen Landstriche zu wandern. Denn hier, wo die Zeit stehen geblieben ist, flüstern die Bäume und verbergen die Berge Geheimnisse, die besser nie gelüftet werden sollten.“, ergänzte Gevatter Bär.
Natürlich schrieb ich alles auf, was Gevatter Bär mir erzählte. Doch plötzlich brummte er ernst und mahnte: „Ihr könnt ruhig aufschreiben, was Ihr wollt, aber bedenkt, dass die einstigen Berichte bis heute märchenhaft erscheinen und doch geheimnisvoll und rätselhaft bleiben. Nur die Wälder und die Berge allein verbergen die Wahrheit wie eine Mauer aus Schatten, die sich über die Dunkelheit legt. Ihre Geschichten werden von den Winden hinausgetragen.“ Und so verschwand auch meine Schrift wie unsichtbare Tinte auf meinem Papier. Langsam ging mir ein Licht auf, warum ich nie bei Pate Fuchs zum Schreiben kam.
Gevatter Bär ging kurz in seine Schlafhöhle, die mit einem Vorhang verdeckt war. Er schaute hinter dem Vorhang hervor. „Soll ich rauskommen, aber nicht lachen...“ sagte er.
Ich fragte: „Wieso sollte ich das tun? Habt Ihr nichts an?“
„Nein, nein, es ist nur so, also wie soll ich sagen...“ erwiderte Gevatter.
„Ja, macht es doch nicht so spannend, oder bedrückt Euch etwas?“ fragte ich.
„Eigentlich bin ich gar kein Bär. Ich bin so klein, und Ihr so groß,“ sagte Gevatter. Er lenkte ab, freute sich und sagte: „Hier, Luzias... schaut doch mal, wie ich tanzen kann, ist das nicht prima?“ fragte er.
„Das habe ich auf dem Jahrmarkt und im Zirkus gelernt,“ sagte er.
„Ja, prima, ich sehe Euch aber nicht. Ihr habt getanzt, als Ihr dort zu Besuch wart?“ fragte ich.
„Höhö, nein, ich hatte dort gelebt,“ antwortete er.
„Jetzt hört mit dem Quatsch auf und kommt heraus,“ sagte ich.
Gevatter Bär brummte vergnügt: „Mmh, Quark mit Honig... “ während er den Vorhang wieder schloss. Es raschelte kurz – dann kam sein Moment: „Also, gut, hier bin ich,“ sagte er.
Ich staunte, denn tatsächlich war er kleiner als ich. Eben noch war er ein Riese, und auf einmal nicht größer als ein Teddybär. Er hatte Flügel wie ein Vogel. Und ich fragte mich, ob er damit fliegen könnte.
„So, mein Freund. Ich habe alles, was ich brauche. Es ist schon spät, und Ihr müsst jetzt gehen,“ sprach Gevatter Bär schroff. Wahrlich, eine Gastfreundschaft hatte ich mir anders vorgestellt. Ich sagte: „Aber es ist dunkel, die Wildschweine grunzen, und das Kichern und Gelächter im Wald beunruhigen mich.“
„Ach was,“ sprach Gevatter Bär, „ein gebranntes Kind scheut das Feuer nicht. Denn, mein Lieber, so wie ich gehört habe, sollt Ihr auch nicht abgeneigt sein, mit dem Teufel und der Hexe zu korrespondieren.“
Ich schwieg, konnte mir aber ein Grinsen nicht verkneifen.
Gevatter Bär sprach: „Nein, nein, mein Sohn, Gevatter Höllenfeder wird Euch holen. Er wird Euch noch tiefer in die Geschichte von Hirschstrom führen. Aber vergesst das mit dem Block und dem Stift. Damit werdet Ihr nichts erreichen. Denkt an die Leute im Dorf.“
„Gevatter Höllenfeder, wie sieht er aus?“ fragte ich. Gevatter Bär sprach, als wäre es selbstverständlich:
„Naja, wie soll Gevatter Höllenfeder schon aussehen, Luzias? So wie sie bei uns eben aussehen, Mischwesen. Eine Mischung aus Bär, Luchs, Wolf und Falke, aber mit zwei Köpfen. Sein Kopf hat er von einem Wolf, seine Pinselohren von einem Luchs, seinen Schnabel von einem Falken, und seine Krallen hat er von einem Bären. Kommt Ihr aus dem Ausland? Ihr seid wohl nicht von hier?“ fragte Gevatter Bär.
Ich senkte meinen Blick, dachte kurz nach und murmelte: „Er hat nicht ganz unrecht.“
„Doch, doch,“ sagte ich laut zu Gevatter Bär, um Sicherheit zu demonstrieren. „Ah, stimmt, ich hatte letztens ein solches Wesen im Beisein der Hexe gesehen.“
„Genau, es sind Gesandte der Hexe, sie erfüllen aber auch Dienste für den Teufel. Wobei alle Wesen darauf achten, niemandem zu schaden. Wir sind alle aufeinander angewiesen. Denn wie soll das Böse existieren, wenn es das Gute nicht gibt? Aber Gevatter Höllenfeder ist klein, nicht größer als eine Amsel.“
„Jetzt erzählt Ihr mir aber einen vom Pferd,“ sagte ich. „Wie sollen denn kleine Tiere so mächtig sein?“
Gevatter Bär breitete seine Flügel aus, die die Größe eines Flugsauriers hatten. Sicher hätte ich hier zweimal, samt Gevatter und Pate Fuchs, Platz gefunden und wäre unter seinen Federn unsichtbar gewesen.
„Luzias, wir leben in einem kleinen Tal zwischen Bergen und Bäumen. Wie sollten wir hier leben, wenn uns jeder sieht? Kleine können mehr Schaden anrichten als Große, sie sind putzig, verkannt und flink. Denkt nur mal an die mystischen Schleimwesen oder an den Honigdachs. Wir sind mindestens so stark und wendig wie er. Mmh, Honig,“ brummte Gevatter Bär.
„Wie könnt Ihr Euch so schnell verwandeln?“ fragte ich ihn.
„Einst war ich nur ein Bär. Die Hexe und der Teufel befreiten mich aus meiner Gefangenschaft. Als Dank ließ ich mich auf einen Pakt ein. Hier im Wald, bei den Berg- und Waldgeistern, vollzogen wir ein magisches Ritual, wodurch ich meine Flügel bekam. Ich stehe also auch im Dienste der Hexe und des Teufels. Nur Kichern kann ich nicht so gut, aber brummen und essen kann ich, mmh,“ brummte er.
„Wofür braucht Ihr überhaupt die Federn?“ fragte ich.
„Na, zum Fliegen,“ sagte er. „Die Flügel dienen mir, um meine Familie und mein Territorium aus der Luft zu überwachen und auf Bedrohungen zu reagieren. Wenn Gefahr droht, kann ich meine Flügel schützend ausbreiten – sie dienen gleichzeitig als Schutzschild. Mit meinen Flügeln bin ich leicht wie eine Feder, leise und schnell wie ein Falke.“
Hinter dem oft schroffen Ton, seiner Gefräßigkeit und Tollpatschigkeit und der schrägen Weisheit, die an einen unbelehrbaren Meister Petz erinnert, schlummerte also sein wahres Talent.
Um die Flammen, sie rufen die Ahnen,
beschwören Geister, in dunklen Bahnen.
Recht und Gerechtigkeit sollen sie bringen,
im Gericht der Seelen, wo Klagen erklingen.
Feuerfunken sprühen, blitzen hell,
im Schatten tanzt der Nebelgeist schnell.
Hufe klappern, Kröten quaken,
Hexen fliegen, Teufel tanzen,
ihre Herzen stark und wild,
mit Kichern und Gelächter, schauriger Schild.
Am Himmel fliegen Schatten, schau,
in den Dörfern kichern sie, ganz genau.
Kirchenglocken läuten, wie Musik im Takt,
Angst und Schrecken, durch die Lüfte jagen,
ein Brauch, der lebt, im Herzen vereint,
ein Erbe der Nacht, das die Seele gemeint.
So tanzen sie in geheimem Spiel,
ein nächtliches Fest mit wildem Gefühl.
In der Dunkelheit, wo die Geister lachen,
feiern sie, was die Nacht gebracht.
Gevatter Höllenfeder erwartete mich schon vor der Höhle von Gevatter Bär. Er war, wie Gevatter Bär geschrieben hatte, furchterregend und doch anmutig anzusehen. Ohne weitere Umschweife packte mich Gevatter Höllenfeder und flog mit mir zu einer Waldbühne. Dort angekommen sprach er: „Luzias, Ihr wollt mehr über Hirschstrom erfahren. Da ich, Gevatter Höllenfeder, alles sehe, lade ich euch zu einem Theaterstück ein. Darin treten bekannte Gestalten auf, über die sich die Leute im Dorf dies und das erzählen.
Ich sagte: „Gevatter Höllenfeder, für eure weise Einladung empfanget ihr meinen aufrichtigen Dank. Vieles liegt im Dunkeln verborgen. Ich setze mein Vertrauen in eure Führung, um das Gesicht von Hirschstrom zu ergründen. Wohlan, so führt mich also in Euer Spiel ein, damit ich sehen kann, was im Verborgenen liegt.“
Es war eine große Waldbühne in Form einer Stadt inmitten von Bäumen bei Vollmond. Im Hintergrund hörte ich einen wilden Fluss. Auf der riesigen Waldbühne saßen Hexen, Fabel- und Mischwesen. Sie tuschelten. Überall brannten kleine Fackeln, und sanfter Nebel umhüllte den Platz. Dennoch war die Bühne übersehbar. Verschiedene Gestalten tanzten hin und her, gingen auf und ab: darunter eine Hexe, ein Teufel und Zwerge. Im Hintergrund waren noch andere Gestalten, doch sie waren so dunkel gekleidet, dass ich sie nicht erkannte. Viel konnte ich nicht sehen, denn die Bühne war noch dunkel, aber ein buntes Treiben konnte ich wahrnehmen.
Natürlich durfte die Presse ,,Hanebüchen VIP“ nicht fehlen – doch auch hier ging es ein wenig anders zu. Denn es waren Libellen, die als schwirrende Hubschrauber das Geschehen überwachten. Mit wackeligen Antennen und 3D-Kameraaugen flogen sie über den Platz. Auf dem Rücken saßen ihre Beleuchter - Glühwürmchen. Jedes Glühwürmchen trug einen flauschigen Motorradhelm und einen Fallschirm, falls es doch einmal zu turbulenten Luftverwirbelungen kam – eine ernstzunehmende Sicherheitsmaßnahme, denn die Libellen waren nicht gerade für sanften Gleitflug bekannt. Die Glühwürmchen steuerten ihre geflügelten Partner, indem sie im perfekten Moment aufleuchteten und so das Kameralicht ersetzten. Gemeinsam schossen sie kreuz und quer durch die Luft und die Menge, hielten hin und wieder vor einem Wesen an, vollführten waghalsige Loopings, legten abrupte Bremsmanöver hin und stürzten sich blitzschnell auf interessante Szenen. Überall summte, brummte und blitzte es – ein sirrendes Spektakel, das den Himmel in ein flimmerndes Lichtermeer verwandelte.
Angeregt durch den ganzen Trubel begannen Glühwürmchen auf dem Boden eine kleine Höhle zu erhellen, aus der Gevatter Höllenfeder in seinem bunten Federkleid zum Publikum sprach:
„Krä! Hört, Ihr Sterblichen, die Geschichte von Hirschstrom! Ein Tal, berühmt für seine Wälder, Höhlen und Stollen. Heute erlebt Ihr die Geheimnisse und Abenteuer dieser uralten Welt.“
Die Bühne verwandelte sich in eine düstere Höhlenlandschaft. Zwerge schlugen mit Hämmern gegen das Gestein, und der Klang hallte rhythmisch durch die Stollen.
Gevatter Höllenfeder sprach weiter:
„In tiefen Schluchten, wo die Schatten tanzten, schürften die Zwerge nach goldenen Schätzen. Doch die Höhle barg mehr als nur Reichtümer – ein verwunschener Irrgarten, geschaffen von Hexen und Teufeln. Einst Zwerge, brummten nun verfluchte Bären in den Tiefen. Für ihren Frevel an den Schätzen mussten sie diesen Fluch ertragen.“
Plötzlich erhob sich die Höhle, und Felsbrocken fielen von den Wänden.
Gevatter Höllenfeder sprach:
„Eines Nachts jedoch erschütterte ein Beben den Stollen. Die Macht der Hexe und des Teufels schwanden. Die Zwerge mussten eiligst entkommen.“
Die Zwerge eilten zum Ausgang, als sich der Stollen hinter ihnen in einen grünen Hügel verwandelte. Draußen blickten sie auf das riesige Tor ihrer unterirdischen Stadt, umgeben von Runen und uralten Symbolen. Ein Zwerg, getragen von Angst, sprach
„Seht! Die Zeichen! Bären, Wildschweine, Fische, Teufel und Hexen. Was erwartete uns hinter diesem Tor?“
Die Bühne wurde dunkel, und ein leises Knurren ertönte aus dem Inneren. Das Tor öffnete sich, und die Zwerge betraten einen märchenhaften Wald.
Der Waldgeist mit einer tiefen, beruhigenden Stimme sprach:
„Ihr Zwerge, gebt Acht in meinem Reich. Wer die Ruhe störte, würde mit Schneestürmen und Felsrutschen bestraft. Eindringlinge könnten sich in Mischwesen verwandeln, gefangen in einem Fluch.“
Ein Berggeist erschien in den Wipfeln, und die beiden Geister, Wald und Stein, sprachen warnend zu den Zwergen. Er sprach:
„Dieser Wald ist ein Ort des Gleichgewichts, geschützt durch die Macht uralter Kräfte. Achtet dies, Zwerge!“
Nach anfänglichem Misstrauen und Herausforderungen schlossen die Zwerge und die Waldwesen einen Pakt und gründeten eine neue Zivilisation. Die Bühne zeigte ein gemeinsames Fest.
Gevatter Höllenfeder hob feierlich seine Flügel:
„Krä! Seht, wie Frieden und Respekt Wurzeln schlugen in diesem neuen Land! So mag dieser Pakt ewig währen, ein Bund von Erde, Stein und Wald.“
Die Szene wechselte zu einem bedrohlichen Feuer, als der Teufel mit einem höhnischen Grinsen auf die Bühne trat. Er sprach: „Was Gold, was Glanz, was Macht versprach – das nahm ich mir! Nichts blieb vor mir sicher!“
An seiner Seite erschien eine Hexe, die in einen Nebel gehüllt war:
„Oh, Teufel, die Erde kannte Deinen Stolz und Deinen Hochmut. Doch was tief ruhte, barg einen Fluch – Dir und mir wurde es nicht leichtfertig gegeben.“
Der Berggeist trat wieder hervor und erhob seine Stimme:
„Gier bringt Verderben. Die Schätze der Erde gehörten nicht jenen, die aus Stolz und Hochmut handelten.“
Gevatter Höllenfeder schwang seine Ohrenpinsel, als ob er mit einem Federstrich das Dunkel bannen könnte:
„Krä! Der Frevel ward Euch nun allzu schwer. Seht, wie die Erde sich gegen Euch erhob!“
Der Boden bebte, Flammen züngelten aus den Ritzen, und die Höhle verschloss sich. Der Teufel und die Hexe, besiegt und erschüttert, versuchten vergeblich, die Tore zu öffnen.
Da sprach der Teufel voller Qual:
„Was ist dies? Widerstand selbst im Stein? Weh mir, dass selbst die Felsen sich wider mich heben!“
Die Hexe kicherte und mit schaurigem Gelächter sprach sie:
„Zu spät, Fürst der Gier! Die Höhle schließt sich – Dein Weg ist ein Ende, finster und schwer.“
Der Berggeist erhob beschwörend die Hände:
„Der Stein hat gesprochen. Hier ist das Ende für alle, die in Gier verharren. Die Erde verdammt jenen, der ohne Respekt an sie herantritt.“
Die Bühne bebte und ein Zwergenchor erhob sich, als Gevatter Höllenfeder ein letztes Mal seine Flügel ausbreitete.
Der Chor der Zwerge sprach:
„Oh Hirschstrom, behüte des Flusses Bann, die Kraft und das Leben, die Erde und Mann. Möge die Legende ewig währen, im Flüstern der Wellen und im Rauschen des Moos.“
Gevatter Höllenfeder trat feierlich in das Mondlicht.
„Krä! Ein letztes Mal sei es kund: Die Höhle verschlossen, das Werk vollbracht. Ich, Höllenfeder, der Doppelsichtige Schreiber, malte für Euch Geschichten, die blieben – zum Mahnen, zum Staunen, im ewigen Kreisen.“
Langsam erlosch das Licht und das Stück endete im Dunkeln, nur das leise Rauschen des Waldes war zu hören. Das Schauspiel war zu Ende. Von allen Seiten stieg Feuer und Rauch empor. Das Publikum tobte. Ich erschrak, denn die gesamte Zeit saßen Gestalten zwischen mir, die ich im Dunkeln nicht sah: Pate Fuchs und Gevatter Bär. Sie beide umhüllten sich in Schweigen. Doch dann sprach Gevatter Bär brummend: „Na, Luzias, habt Ihr endlich, was Ihr wolltet?“ Zufrieden nickte ich. Zusammen feierten wir die ganze Nacht, bis sich jeder auf seine Art verabschiedete: der eine schweigend, der andere brummend, und die anderen wiederum mit Kichern, Gelächter und in Rauch auflösend.
Hirschstrom ist winzig, aber in seiner Größe mächtig und unbeugsam. Während in anderen Welten gejodelt oder gebrüllt wird, hörst du in Hirschstrom Kichern und Gelächter. Die Region bleibt geheimnisvoll, in der sich Realität und Legenden vermischen. Wer in Hirschstrom eine Schlacht beginnt, wird dem Wahnsinn verfallen und darin den Frieden finden. Alle sind der Meinung, etwas gesehen zu haben, aber alle sagen etwas anderes. Niemand weiß etwas Genaues, und wenn doch, sind sie Gefangene im Labyrinth des Glaubens.
Die Wälder, Täler und Berge sind so tief in Sagen und Mythen verwurzelt, dass es schwer zu sagen ist, was Wahrheit und was Wirklichkeit ist. Du weißt nie, ob du gerade mit einem Menschen, einer Hexe oder dem Teufel sprichst. Aber wenn du ein Kichern oder Gelächter hörst, das an Kobolde oder Hexen erinnert, dann weißt du, dass Magie im Spiel ist.
Hast du dich schon gefragt, ob Gevatter Bär wirklich fliegen kann und ob er so ist, wie er beschrieben wird? Es gibt eine Geschichte über ihn, die nur wenige kennen. Niemand weiß genau, ob Gevatter Bär einmal im Zirkus oder auf dem Jahrmarkt war, das wurde ihm erzählt.
Einst fand ein Wanderer mit Hörnern und Drachenflügeln ein kleines Bärenjunge im Wald. Es lag eingehüllt in Decken in einem warmen Körbchen. Ein Brief, verfasst in einer Schrift mit Tatzen, der dem Korb beilag, enthüllte, dass die Bäreneltern nicht mehr da waren. Das Bärenjunge schaute mal grimmig und mal sanftmütig.
Der gütige Wanderer fand Gefallen an dem Bärenjungen, und so kam es, dass er ihn in ein magisches Wesen verwandelte. Niemand wusste genau, wo der Wanderer lebte, doch einige munkelten, er habe Höhlen voller Schätze, die er aus Dörfern entwendet habe. Während der Wanderer oft unterwegs war, schlief der Bär vor der Höhle, zu der niemand Zutritt fand.
Gevatter Bär ist nicht nur ein Bär und Wächter des Waldes, sondern auch ein Flugbär mit einem Geweih. Dieses Geweih, das an Hörner oder Schwerter erinnert, bleibt für gewöhnlich verborgen. Doch wenn jemand an der Höhle vorbeigeht, in der der Bär schläft und träumt, ragen seine Hörner hervor. So bleibt der Eingang versperrt, und das Geheimnis der Höhle ein ungelöstes Rätsel.
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